Auch für Mädchen volle Kraft voraus 

Obwohl Mädchen inzwischen im Schnitt bessere Schulnoten haben als Jungen, wählen sie oft frauentypische Berufe mit geringer Bezahlung. Ein bundesweiter Girls' Day soll den Mädchen Mut zu anderen Berufen machen. Am 24. April bieten auch einige Unternehmen im Landkreis Konstanz Einblick in Labors und Werkstätten an.

Sophie Quignon hat einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Sie ist die erste Frau, die bei den Bodensee-Schiffsbetrieben eine Ausbildung zur Binnenschifferin macht. Inzwischen ist Sophie (18) im zweiten Lehrjahr. Seit September 2006 lernt sie, Schiffe zu steuern, sie festzumachen oder den Motor zu überholen. "Manchmal ist es körperlich ein bisschen schwer für mich, zum Beispiel wenn wir ein Schwungrad austauschen müssen", erzählt Sophie. Doch der Beruf gefällt ihr gut. "Manche haben am Anfang ein bisschen komisch geguckt, als ich kam", sagt sie. "Aber die meisten haben sich gefreut, dass auch mal ein Mädel dabei ist."

Vor ihrer Ausbildung hat Sophie Quignon eine Hauptschule mit Werkrealschule in Radolfzell besucht. Auf die Idee, Binnenschifferin zu werden, kam sie durch ihren Vater. Er ist Matrose bei den Bodensee-Schiffsbetrieben. "Ich habe mich spontan beworben", sagt Sophie. Es war eine gute Entscheidung: "Ich habe viel Spaß am Beruf. Ich mag die frische Luft und die körperliche Arbeit", sagt sie.

Noch immer ist Sophie eine Ausnahme. Viel mehr Mädchen wählen frauentypische Berufe wie Arzthelferin, Rechtsanwaltsgehilfin oder Friseurin. Seit einigen Jahren soll ein bundesweiter Girls' day die Mädchen auf eher männerspezifische Berufe aufmerksam machen. Am Donnerstag, 24. April, ermöglichen viele Schulen ihren Schülerinnen, einen Tag lang in technische Berufe hineinzuschnuppern. "Wir müssen das Interesse der Mädchen für technische Berufe wecken", sagt Christa Albrecht, Frauenbeauftragte der Stadt Konstanz. "Viele machen das, was ihre Freundin auch macht. Natürlich muss es auch Bäckereifachverkäuferinnen geben, aber die Mädchen machen sich oft nicht klar, dass sie damit in Konstanz gerade mal ihre Wohnung bezahlen können", so Albrecht.

Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamts von 2007 verdienen Frauen in Deutschland 20 Prozent weniger als Männer. Berücksichtigt wurden dabei durchschnittliche Bruttomonatsverdienste vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. "Erst als es neben den Krankenschwestern auch Pfleger gab, wurde für die Frauen die Bezahlung besser", sagt Christa Albrecht.

Deshalb ist genauso die Öffnung von Frauenberufen für Jungen wichtig. Seit drei Jahren gibt es am Girls' day parallel einen Boys' day. Thomas Scharmann vom Jugendzentrum der Stadt Konstanz hält es für wichtig, auch die Jungen in typische Frauenberufe einzuführen. Zum Argument, mit einem Boys' day mache man die spezielle Mädchenförderung zunichte, sagt er: "Ich würde sogar sagen, die Jungs haben es nötiger. Für die Mädels wurde schon viel getan", so Scharmann. Der Konstanzer Jugendtreff Berchen bietet für die Siebtklässler der Berchenschule eine besondere Herausforderung an: Am Boys' day sollen sie eine Art Berufsschatzsuche per Geocaching bewältigen. Mit einem GPS-Gerät und einigen Hinweisen ausgestattet, müssen die Jungen Unternehmen finden, in denen sie Frauenberufe vermuten. Dort treffen sie aber auf Männer, die diese Berufe ausüben und von ihrem Alltag erzählen. Manchmal dürfen die Jungs sogar mitmachen. Im vergangenen Jahr haben sie Haarsträhnen eingefärbt und ein Blumengesteck gebunden.

(Kirsten Schlüter/Südkurier v. 10.04.08)

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