Behinderte Menschen fordern einheitliche Schiffstarife

Heute ist der Europäische Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft. Nach wie vor hapert es an vielen Dingen – beispielsweise an Vergünstigungen bei der Schifffahrt auf dem Bodensee. Da es sich um ein internationales Gewässer handelt, gibt es für Menschen mit Behinderungen keine einheitlichen Tarife. Behinderte, die auf dem Obersee mit den Schiffen unterwegs sind, müssen für sich und ihre Begleitperson bezahlen – auf dem Untersee hat die Begleitperson freie Fahrt.

Den finanziellen Ausfall auf dem Untersee bekommen die Schiffsbetriebe vom Land Baden-Württemberg ersetzt. „Die Landesregierung bezahlt den Schiffsbetrieben auf dem Überlinger See einen Ausgleich. Die Schweiz und Österreich tun dies nicht“, erklärt Silke Rockenstein, Pressesprecherin der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) „Da der Obersee internationales Gewässer ist, wird es dort mit einer einheitlichen Regelung schwierig.“

Schon lange gibt es die Forderung nach einer einheitlichen Tarifregelung für die Tourismusregion Bodensee. Die Kommission Verkehr der Internationale-Bodensee-Konferenz (IBK) hat sich deshalb bereits mehrfach mit diesem Thema befasst. „Wir sind dran, doch es lässt sich nicht so leicht lösen“, sagt Klaus-Dieter Schnell, Geschäftsführer der IBK. „Es ist ein Problem nationaler Regelungen. Wir können diese nicht einfach brechen.“ Die deutschen Schiffsbetriebe erkennen deutsches Recht an, die Schweizerischen ihr nationales Recht.

So sei es in der Schweiz üblich, dass schwerstbehinderte Menschen einen Fahrschein lösen. In diesem sei die Begleitperson dann enthalten. Schwierig werde es dann, wenn ein behinderter Mensch aus der Schweiz beispielsweise in Friedrichshafen ein deutsches Schiff besteige. Da der Schweizer keinen Schwerbehindertenausweis habe, bekomme er keine Vergünstigungen. Und auf Vorarlberger Seite gebe es beispielsweise überhaupt keine Vergünstigungen, berichtet Schnell.

Lösungsansatz könnte seiner Meinung nach eine gegenseitige Anerkennung der Dokumente sein. Das müsse aber mit den Verantwortlichen der Schiffsunternehmen geregelt werden. Ein weiteres Problem sei die Frage des Ausgleichs. Während deutsche Schifffahrtsunternehmen, wie die BSB für jeden behinderten Menschen, den sie vergünstigt befördern, einen Ausgleich erhalten, werde das in der Schweiz wieder anders geregelt.

Für wie viele behinderte Menschen das Land Baden-Württemberg einen Ausgleich bezahlt, lässt sich nicht ermitteln. Die Schifffahrtsbetriebe bekommen einen Prozentsatz bezahlt und erheben keine Statistik. Der globale Erstattungssatz für das Jahr 2010 beispielsweise beträgt 2,45 Prozent, teilt das Regierungspräsidium Freiburg mit. „Wie viel die Bodensee-Schifffahrtsbetriebe pro beförderte Person und deren Begleitperson bekommt, kann von uns nicht ermittelt werden“, so ein Sprecher des Regierungspräsidiums. Denn für seine Behörde seien allein die vom Wirtschaftsprüfer testierten und im Antrag angegebenen Fahrgeldeinnahmen erheblich – und diese unterliegen dem Betriebsgeheimnis.

Verschiedene Politiker drängen nun auf eine Vereinheitlichung der Tarife. „Diese können nur mittels einer freiwilligen Übereinkunft der Verkehrsunternehmer zu gegenseitigen Freifahrtberechtigungen erreicht werden“, teilt Staatssekretär Dieter Hillebrand mit. Einen Termin, um mit allen Beteiligten über eine Lösung zu sprechen, hat die scheidende Landesregierung dazu in den vergangenen Jahren nicht gefunden. „Das wird wohl die neue Regierung machen“, teilt das baden-württembergische Umwelt- und Verkehrsministerium auf Nachfrage der LZ mit

(Sandra Pohl/Schwäbische Zeitung v. 05.05.11)

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