Zurück auf dem Überlinger See

Eine Mütze trägt er nicht, auf den ersten Blick sieht er auch nicht aus wie ein Kapitän. Dabei ist Jürgen Müller mit 62 Jahren einer der dienstältesten Kapitäne auf dem Bodensee.

Seit 40 Jahren schippert er auf dem Überlinger See, kennt das Gebiet wie seine Westentasche. Doch die Mütze, die liegt im Wohnzimmer daheim in Bodman: „Im Sommer verdampft man darunter und wenn es regnet, dann ist die Mütze ruiniert.“

Müller steht nun nicht mehr an einem Steuerrad wie bei der alten MS Bodman, sondern an einer Art „Joystick“ im Steuerhaus der MS Großherzog Ludwig. Es ist seit vielen Jahren die erste Fahrt mit dem Schiff, auf dem er schon kurz nach dessen Stapellauf in der Kressbronner Bodan-Werft im Jahr 2000 zwischen Bodman und Überlingen gefahren ist. Die „Ludwig“ ersetzt nun die alte „Bodman“.

Von der MS Bodman, mit der Müller seit 1978 den Überlinger See durchkreuzt hat, hat der Kapitän wehmütig Abschied genommen: „Die letzte Fahrt mit der Bodman war schon mit Schmerz verbunden, nach so vielen Jahren hängt man doch daran,“ gibt er zu. Müller ist der einzige, der die „Ludwig“ steuern kann. Im kommenden Jahr möchte er in Rente gehen und daher weist er jetzt seinen Kollegen Siegbert Beirer ein.

Als sie den Hafen von Bodman verlassen, sammeln sich auf der Frontscheibe die Regentropfen. Müller schaltet den Scheibenwischer ein und blickt prüfend auf einen Bildschirm am Armaturenbrett, auf dem er seinen Fahrschüler Siegbert Beirer und den Matrosen Carsten Lange sehen kann. Über einen Kopfhörer mit Mikrofon sind die Besatzungsmitglieder verbunden: „Die Rundumsicht auf der Großherzog Ludwig ist lange nicht so gut wie auf der Bodman“, stellt Müller fest. Zufrieden legt er den Kopfhörer beiseite, das Ablegen in Bodman hat reibungslos geklappt.

Das findet auch Smutje Michael Mohr. Er entlockt einer exotischen Muschel tiefe Töne, keinem Nebelhorn. Es ist kein Warnsignal, es ist ein Spaß, den er sich leistet. „Er ist ein Ludwigshäfler Original, unser Smutje“, witzeln Müller und Beirer. Mohr betreibt die Gastronomie an Bord, unterhält die rund 50 Fahrgäste.

Die Besatzung muss sich an das neue Schiff gewöhnen, an die Kommunikation mit den Kopfhörern, an das neue Steuer, an die andere Lage im Wasser.

Matrose Carsten Lange arbeitet an den Wochenenden auf der „Ludwig“. Seine Kasse trägt er vor dem Bauch, pro Station kostet die Fahrt zwei Euro: „Grüß Gott, ich bin's, der nette Kassierer“, lacht er, als in Überlingen ein ganzer Schwung Menschen in Regenjacken und mit bunten Schirmen in die „Ludwig“ einsteigt. Die meisten Fahrgäste wollen zur Marienschlucht. Matrose Lange erklärt die seemännischen Kniffe: „Hier ist das Wasser sehr seicht. “ An der Marienschlucht hat das Schiff einen eigenen Anleger. Ein Nadelöhr, das die Wanderer passieren müssen. Beim Andocken an den Metallpoller rasseln die Ketten der Laufbrücke. Kurz darauf reihen sich die bunten Regenschirme auf dem langen schmalen Steg zur Schlucht ein. Vom Armaturenbrett aus schaut Müller nach dem Rechten. Lange streckt den Daumen in die Luft:„Klar zum Ablegen.“

Siegbert Beirer muss in einem Monat fit für das neue Schiff werden. Die Hauptsaison beginnt kommende Woche. Beirer übernimmt das Steuer. Mit 21 Kilometern pro Stunde nimmt er Kurs auf Sipplingen. „Das Schiff hat einen ganz schönen Drang nach Backbord“, stellt der 48-Jährige fest. „Backbord ist da, wo der Daumen rechts ist“, schmunzelt Matrose Lange. Kurz vor dem Anlegen in Bodman übergibt Beirer das Steuer wieder an Kapitän Müller. Ein Anlegemanöver muss heute noch nicht sein. „Nicht, dass ich noch unsere alte Bodman streife“, sagt er wehmütig in Richtung des Schiffes, das im Hafen von Bodman auf einen Käufer wartet.

(Südkurier v. 07.05.10)

MS Großherzog Ludwig

Daten: Eigner: Motorbootgesellschaft Bodman, 
Erbauer: Bodan-Werft, Kressbronn, 
Länge: 30,10 m, 
Breite: 6,60 m, 
Gewicht: 108,0 t, 
Tiefgang: 1,05 m, 
Maschinenleistung: 2x 180 KW, 
Geschwindigkeit: 23,0 km/h, 
Tragkraft: 200 Personen

Geschichte: 

Stapellauf der MS Großherzog Ludwig war am 8. Juli 2000. Sie wurde am 30. Juli 2000 von Prinzessin Marianna von Baden getauft, Großherzog Ludwig von Baden gratulierte der Besatzung. Von 2000 bis 2004 fuhr die „Ludwig“ den Kurs zwischen Bodman und Überlingen. Ab der Saison 2005 wurde das Schiff an die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) vermietet, die das Schiff als Ersatz für die MS Lindau (II) für Rund- und Kursfahrten ab Friedrichshafen einsetzen. Im Jahr 2006 wurde das Schiff in Lindau stationiert, wo es die Rundfahrten für die MS Mainau übernahm. Im Juli 2007 rammte die MS Großherzog Ludwig bei einem Anlegemanöver im Lindauer Hafen ein Polizeiboot und ein Arbeitsboot der Feuerwehr, es entstand ein Schaden von 6000 Euro. Im September 2009 rammte das Schiff im Hafen von Friedrichshafen ein Feuerlöschboot, der Schaden betrug wieder 6000 Euro. Im Frühjahr 2010 kehrte die MS Großherzig Ludwig nach Bodman zurück und übernimmt seit dem 1. Mai die Kurs- und Sonderfahrten ab Bodman-Ludwigshafen für die ausgemusterte MS Bodman.

Route: Bodman, Ludwigshafen, Sipplingen, Marienschlucht, Überlingen und zurück.

Kosten: Der Fahrpreis errechnet sich aus den Stationen, die angefahren werden. Für Erwachsene kostet die erste Station 2 Euro, jede weitere Station 1,50 Euro. Für Kinder kostet die erste Station 1,50 Euro, jede weitere 1 Euro. Familien (Eltern und Kinder bis vier Personen, jedes weitere Kind 1 Euro) zahlen 5 Euro für die erste und 4 Euro für jede weitere Station.

(Südkurier v. 07.05.10)

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