Im Rollstuhl leicht aufs Schiff

Bodman-Ludwigshafen darf sich „behindertenfreundliche Gemeinde“ nennen. Dies betrifft auch die MS Großherzog Ludwig.

Der Sozialstaat ist wesentlich dadurch definiert, wie er mit seinen Hilfsbedürftigen umgeht. Nahezu acht Millionen behinderte Menschen gibt es in Deutschland, davon sind rund sieben Millionen schwerbehindert, die meisten davon körperlich. Ein gutes Viertel sind 75 Jahre und älter. In Deutschland gibt es etwa 1,56 Millionen erfasste Menschen, die zeitweilig oder ganz auf den Rollstuhl angewiesen sind. Nicht statistisch erfasst sind Patienten mit Multipler Sklerose (MS), motorischen Hirnschädigungen, Schlaganfällen und Muskeldystrophie. Daher kommt der Behinderten-Statistik eine große sozialpolitische Bedeutung zu. An ihr kann man meist direkt ablesen, wie es um den Sozialstaat und seine Glaubwürdigkeit bestellt ist, wie sich die Behindertenzahlen entwickeln und wie man mit ihnen umgeht.

Die Gesellschaft sieht sich zunehmend vor die Aufgabe gestellt, schwerbehinderten Mitmenschen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe am Alltagsleben zu ermöglichen und Barrieren abzubauen. Die Interessen behinderter Menschen sollen im Bund sowie in den Bundesländern, Städten und Gemeinden von Beauftragten für ihre spezifischen Belange vertreten werden. Darüber hinaus sind es die Behindertenorganisationen wie der VdK und der Sozialverband Deutschland, die Einfluss auf die Politik nehmen und sich für die Interessen ihrer Mitglieder einsetzen.

In Bodman-Ludwigshafen ist dies zum Beispiel der Ortsverband des Sozialverbandes Deutschland mit seinem Vorsitzenden Hellmuth Hannemann, selbst dauerhaft an den Rollstuhl gebunden. Auch Dank seines Engagements darf sich Bodman-Ludwigshafen „Behindertenfreundliche Gemeinde“ nennen, weil sie im Rahmen des ihr Möglichen regelmäßig Erleichterungen für Behinderte schafft. Die Kirchengemeinden, Banken, Gewerbetriebe und die Gastronomie haben Barrieren für Rollstuhlfahrer ebenfalls größtenteils beseitigt. Dies gilt insbesondere für die Motorbootgesellschaft Bodman, die ihre MS Großherzog Ludwig und die Anlegestellen behindertengerecht eingerichtet hat. Dadurch können Rollstuhlfahrer problemlos das Schiff benutzen – im Gegensatz zu privaten Schiffsbetrieben in Überlingen. Dort hat ein Schifffahrtsbetrieb während der Hauptsaison immer wieder Rollstuhlfahrer abgewiesen. Die dortigen privaten Schifffahrtsbetriebe sind nicht behindertengerecht ausgestattet. So können Rollstuhlfahrer in schweren Elektro-Rollstühlen ohne Begleitung aufgrund des Gewichts nicht die Treppen auf das Deck hinauf und hinunter getragen werden, wenn sie nicht selbst einige Schritte laufen können. Außerdem fehlt es dort - anders als auf der MS Großherzog Ludwig – an Behinderten-Toiletten. Dies wird in Bodman-Ludwigshafen als Vorteil im touristischen Konkurrenzkampf gewertet.

Hellmuth Hannemann lobt die behindertenfreundliche Einstellung der Gemeinde, die auch vom Landesvorsitzenden des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Hartmut Marx, bei seinem Besuch in Ludwigshafen im vergangenen Jahr gewürdigt wurde. Sehr zur Freude von Bürgermeister Matthias Weckbach, der an dieser Versammlung teilnahm.

(Friedrich W. Strub/Südkurier v. 13.10.12)

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