Überfahrt auf Kapitänsdeck

Der SÜDKURIER öffnet Türen: 20 Leser erkunden die Fähre, die zwischen Konstanz und Meersburg pendelt

Sie quetschen sich durch den Raum mit den dröhnenden Motoren und besuchen die Schiffswerkstätten und den Kapitän im Führerhaus: 20 SÜDKURIER-Leser kennen die Fähren, die zwischen Konstanz und Meersburg pendeln, nun besser als jeder andere Besucher. In der Reihe „Der SÜDKURIER öffnet Türen“ führen Stefan Ballier, Leiter des Fährebetriebs der Stadtwerke Konstanz, und Hans-Dieter May, Leiter der Technik, in die großen und kleinen Geheimnisse der schwimmenden Brücken auf dem Bodensee ein.

Seebären sprechen ja üblicherweise eine besondere Sprache. Auf den Konstanzer Fähren allerdings gilt die nicht. Dort sagt keiner Bug und Heck, wenn er vorne und hinten meint. Hier heißt es vielmehr Staad und Meersburg und anstelle von backbord (links) und steuerbord (rechts) sprechen die Mitarbeiter von Mainau und Obersee. Selbst auf Schiffsplänen sind die Konstanzer Orientierungsbegriffe verzeichnet.

Eine dieser Zeichnungen hängt im Maschinenraum der Fähre. Die Besucher bekommen Stöpsel für die Ohren, bevor sie durch die Türen zu den dröhnend Motoren und Generatoren treten dürfen. Bei jeder Fahrt läuft hier ein Maschinist durch, um zu überprüfen, ob alle Systeme fehlerfrei arbeiten. Im Schiffsbauch lagern auch Notbatterien, die zum Einsatz kommen, sollte der Strom ausfallen. Und selbst für den Ausfall einer der Antriebe ist die Fähre gerüstet. Für jedes Schiffsmodell halten die Stadtwerke Ersatz vor. Es handelt sich um Voith-Schneider-Propeller, die stufenlos Schub in jede beliebige Richtung erzeugen können. Mit Hilfe dieser Technik kann ein Kapitän die Fähren auf dem See auch tanzen lassen.

Kapitän Heinz Scheucher braucht Fingerspitzengefühl, um die Fähren sicher in die Häfen zu steuern, das sehen die SÜDKURIER-Leser beim Besuch des Führerhauses. Scheucher bedient zwei Steuerstäbe (Joysticks). Schon leichter Druck genügt, und der Kurs ändert sich. Für die freie Fahrt übers Wasser mit bis zu 21 Stundenkilometern übernimmt ein Autopilot. Der Kapitän ist dennoch gefordert. Alle 20 Sekunden muss er einen Knopf drücken, um zu bestätigen, dass er bei Sinnen ist. Sollte er den Knopfdruck vergessen, warnt acht Sekunden lang ein lauter Ton, kommt dann der Knopfdruck nicht, schrillt ein Alarm übers Schiff und ein Mitarbeiter sieht nach, ob der Kapitän ein gesundheitliches Problem hat. Sollten an Bord alle elektronischen Orientierungssysteme ausfallen, gibt es noch den guten alten Kompass, nach dem der Kapitän fahren kann. Selbst in der Zeit, in der das Schiff zum Beladen im Hafen liegt, ist der Kapitän im Einsatz. Er klettert dann hinunter aufs Auto- und Personendeck und hilft beim Beladen. Er ist dafür verantwortlich, dass das Schiff keine Schlagseite bekommt.

Seit Inbetriebnahme im Jahr 1928 sind die Konstanzer Fähren umgerechnet 414 Mal um die Erde gefahren, wie Stefan Ballier sagt. Jedes Jahr legen sie derzeit 340 000 Kilometer zurück. Anfangs transportierten die schwimmenden Brücken statt Autos und Lkw noch Ochsen- und Pferdegespanne.

(Claudia Rindt/Südkurier v. 31.03.11)

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