«Fast wie ein Krimi»

Ein neues Kapitel Ortsgeschichte - 
Max Tobler über die bisher unterschätzte Bedeutung von Oberrichter Bachmann

«Ich gehe davon aus, dass Romanshorn ohne Oberrichter Bachmann die Bahn und den grössten Bodensee-Hafen nicht erhalten hätte», sagt Max Tobler. Er ist bei Recherchen auf Fakten gestoßen, die die Bedeutung Johann Joachim Bachmanns für den Ort in völlig neuem Licht erscheinen lassen.

«Das ist das Spannende an der Arbeit eines Historikers: Man stößt auf etwas, geht Spuren nach, und schon beginnt eine Figur zu leben. Es ist fast wie ein Krimi.» Das sagt Ortshistoriker Max Tobler, der sich seit einiger Zeit für die Museumsgesellschaft mit dem bevorstehenden Jubiläum der Thurtallinie befasst. Dabei ging er der Frage nach, wie es möglich wurde, dass just das bis anhin unbekannte Romanshorn vor 150 Jahren als Endstation einer von Zürich in die Ostschweiz führenden Bahnlinie ausgewählt wurde. Bei seinen Recherchen stieß Tobler dann in Großrats-Protokollen auf einen Namen, dessen große Bedeutung für Romanshorn bisher völlig verkannt worden war: jenen von Oberrichter Bachmann, der bisher - wenn überhaupt - nur als «Schloss»-Besitzer von 1850 bis 1872 erwähnt worden ist.

Vom Fischerdorf zum Hafenort

Geboren wurde Johann Joachim Bachmann 1794 als Sohn einer prominenten Thundorfer Familie. Weder ein Bild von Bachmann konnte Max Tobler bis jetzt auftreiben noch weiß er, welche Ausbildung dieser genoss. «Klar ist aber, dass Johann Joachim Bachmann ab 1831 Oberrichter war und mit Lebensmitteln, Wein und Eisen handelte.» Bereits bevor Bachmann 1850 das «Schloss» kaufte und nach Romanshorn zog, war er als Mitglied diverser Kommissionen im Grossen Rat für den Aufschwung mitverantwortlich, den das bis anhin unbedeutende Fischerdorf Romanshorn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm. «So brachte er es etwa fertig, dass die Strasse Amriswil- Romanshorn begradigt wurde, sodass auch die Kutschenpost bis an den Hafen gelangen konnte», berichtet Max Tobler. Vor allem aber setzte sich Bachmann dafür ein, dass in Romanshorn ein kantonaler Hafen entstand. Ab 1844 konnten die großen Dampfer, die Korn aus Deutschland in die Schweiz importierten, somit auch in Romanshorn anlegen - eine Möglichkeit, die aus fiskalischen Gründen in der Folge auch sehr häufig genutzt wurde.

Schwunghafter Kornhandel

«Johann Joachim Bachmanns größte Leistung für Romanshorn besteht darin, dass er dafür eintrat, dass der Kanton 1852/53 das Kornhaus, heute als altes Zollhaus bekannt, erstellte», so Max Tobler weiter. Nach dessen Bau herrschte noch mehr Leben am Romanshorner Hafen - insbesondere auch deshalb, weil Bachmann zusätzlich noch mit einer Petition die Durchführung eines Kornmarktes im Kornhaus erreichte. «Bereits in den ersten Jahren wurden dort Umsätze von über einer Million Franken pro Jahr gemacht, sodass man in Romanshorn eine Zeit lang sogar keine Steuern mehr bezahlen musste», berichtet Max Tobler.

«Boden für die Bahn bereitet»

Straßenbegradigung Amriswil-Romanshorn, Bau des kantonalen Hafens sowie des Kornhauses und Aufbau eines florierenden Kornmarktes - diese von Oberrichter Bachmann mitinitiierten Elemente trugen laut Max Tobler dazu bei, dass Romanshorn, bis anhin ein unbedeutendes Fischerdorf, innerhalb weniger Jahre bekannter als beispielsweise Uttwil wurde. «Mit seinem Einsatz für diese Projekte, die durchaus auch in seinem geschäftlichen Interesse lagen, bereitete Bachmann quasi den Boden für den Entscheid der Bahn, Romanshorn als Endpunkt einer Eisenbahnverbindung in die Ostschweiz auszuwählen», fasst Max Tobler die erst jetzt erkannte Bedeutung Bachmanns zusammen. Die Bahn habe in Romanshorn Leben und eine funktionierende Schifffahrt angetroffen. Dies war laut Tobler wohl mitentscheidend dafür, dass sich die Bahn - auch aufgrund von aktivem Lobbying des späteren Ministers und berühmten Thurgauer Staatsmanns Johann Konrad Kern, einem Freund Bachmanns - für eine Verbindung Zürich-Romanshorn und nicht etwa Zürich-Rorschach via St. Gallen entschied. «Die Frage ist zwar hypothetisch. Ich gehe aber davon aus, dass Romanshorn ohne das Wirken von Bachmann die Bahn und den größten Bodensee-Hafen nicht erhalten hätte», sagt Max Tobler abschließend.

(St. Galler Tagblatt v. 09.04.05)

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