Zum Rekord fehlen nur noch 14 Zentimeter

Nur noch 14 Zentimeter bis zum historischen Tiefstwert: Am Pegel Konstanz wurde gestern ein Wasserstand von 2,40 Meter gemessen. Der Rekord von 2,26 Meter aus dem Jahr 1858 könnte im Januar fallen. Für den Schiffsbetrieb gibt es noch keine Beeinträchtigungen, die Silvesterfahrten sind nicht gefährdet.

In Friedrichshafen, Lindau, Meersburg und Konstanz werden heute Abend wie geplant die Silvesterschiffe aus der Flotte der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) ablegen. Wie BSB-Sprecher Franz Leinweber gestern auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung ausführte, gebe es abgesehen davon, dass die Passagiere wahrscheinlich auf dem Oberdeck statt auf dem Unterdeck einsteigen werden, keine Probleme wegen des Niedrigwassers. Zumindest noch nicht.

Wenn der Pegel allerdings weiter absinkt, könne das durchaus zu Beeinträchtigungen für die Schifffahrt führen. Zum Beispiel beim Fährverkehr zwischen Meersburg und Konstanz. Problematisch wäre hier vor allem die Höhendifferenz zwischen Fähre und Landungspunkt. "Wenn der Abstand zu groß ist, muss der Aufsetzpunkt mit einer Holzkonstruktion künstlich erhöht werden, damit die Autos auf die Fähre beziehungsweise von der Fähre wieder runter fahren können", erklärt Leinweber. Weil Ein- und Ausfahrt dann mehr Zeit in Anspruch nähmen wie gewöhnlich, würde sich der Fahrplan der Fähre etwas verschieben. Zumal die Fähren bei extrem niedrigem Wasser auch noch langsamer fahren müssten als normalerweise.

Ökologisch keine Probleme

Im Hafen von Konstanz könnte bei einem weiteren Absinken des Wasserstandes auch die MS Reichenau Probleme bekommen, die ab 9. Januar zwei Mal täglich zwischen Friedrichshafen und Konstanz verkehrt - als fahrplanmäßiger Ersatz für einen der beiden Katamarane, der wie berichtet gewartet werden muss. Für die Katamarane mit ihrem geringen Tiefgang ist der niedrige Wasserstand laut Leinweber völlig unproblematisch. Trotzdem hofft er, dass die ab heute vorhergesagten warmen Temperaturen den Schnee schmelzen und den Bodensee-Pegel wieder um ein, zwei Zentimeter steigen lassen.

In manchen kleineren Häfen am Bodensee steht das Wasser mittlerweile so niedrig, dass man selbst mit flachen Fischerbooten kaum noch hineinfahren kann. Oder hinaus. Berufsfischer Jürgen Schäfler hat sein Boot, das 80 Zentimeter tief im Wasser liegt, am Montag "gerade noch" aus dem Langenargener Gondelhafen hinausbekommen. Jetzt liegt es im Hafen Meichle & Mohr in Gohren.

So richtig toll findet auch so mancher Villenbesitzer am Bodensee das Niedrigwasser nicht. Nutzen doch neugierige Spaziergänger die seltene Gelegenheit, um vor den Seegrundstücken entlang zu flanieren, um den einen oder anderen Blick zu wagen, der sonst höchstens von einem Boot aus möglich wäre. Willkommen ist der Rückzug des Wassers in Uhldingen, wo die Pfahlbauten nun trockenen Fußes repariert werden können.

Im Langenargener Institut für Seenforschung beobachtet man das stetige Absinken des Wasserstandes mit Interesse, aber auch mit Gelassenheit. Denn aus ökologischer Sicht ist das Niedrigwasser unproblematisch. "Für den See sind wechselnde Wasserstände nichts Außergewöhnliches", sagt Dr. Henno Roßknecht, der stellvertretende Leiter des Instituts. Die Lebewesen seien flexibel und anpassungsfähig.

Rekordtief im Januar möglich

Schon in den Sommermonaten dieses Jahres lag der Seespiegel um bis zu 90 Zentimeter unter dem jahreszeitlich zu erwartenden Mittelwert. Auf einen kurzen Anstieg des Wasserstands nach dem August-Hochwasser in den Alpen folgte ein nach Aussagen der Experten extrem niederschlagsarmer Herbst, so dass der Wasserstand seitdem deutlich absank. Dem natürlichen Jahresgang folgend erreicht der Seespiegel zwischen Januar und März in der Regel seine niedrigsten Werte.

Die Hochwasserzentralen rund um den Bodensee haben in den vergangenen Tagen verschiedene Szenarien zur weiteren Entwicklung des Wasserstandes berechnet. Sollte sich der trockene bis sehr trockene Witterungsverlauf fortsetzen, könnte der Pegel Konstanz bis Ende Januar in den Bereich von 2,30 bis 2,15 Meter absinken.

(Jens Lindenmüller/Schwäbische Zeitung v. 31.12.05)

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