Der Schifffahrt droht Ungemach


Sparmassnahmen und neue Sicherheitsvorschriften des Bundes bringen Schweizer Schifffahrtsbetriebe am Bodensee in finanzielle Bedrängnis

Sollten all die angedrohten Maßnahmen des Bundes umgesetzt werden, gerät auch die Schweizer Bodensee-Schifffahrt in große finanzielle Bedrängnis. Gerechnet wird mit Mehrbelastungen von gegen 1 Mio. Franken.

Geht es nach dem Willen des Bundes, sollen die Schifffahrtsbetriebe in der Schweiz künftig die Mineralölsteuer bezahlen. Bis jetzt waren sie davon befreit. Zudem sollen sie neu auf ihren Schiffen Schwimmwesten und Rettungsboote «für alle Fahrgäste» mitführen. Betroffen davon wäre auch die schweizerische Schifffahrt am Bodensee. Dazu gehören die Bodensee-Schifffahrts AG in Romanshorn (SBS), die Rorschacher Schiffsbetriebe und die Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) in Schaffhausen.

«Ruinöse Maßnahmen»

«Wenn der Bund sein neues Sparprogramm und die geplanten Sicherheitsbestimmungen durchsetzt, droht vielen Schifffahrtsbetrieben in der Schweiz der finanzielle Ruin», stellt Konrad Eberle, Direktor der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein, auf Anfrage klar. Eberle präsidiert seit vier Jahren auch den Verband der Schweizerischen Schifffahrtsunternehmen (VSSU). Für die Schifffahrtsbetriebe auf allen Schweizer Seen hätte allein der Sparentscheid des Bundesrats Ausfälle von über 4 Mio. Franken zur Folge. Seine Schifffahrtsgesellschaft am Untersee und Rhein (URh) müsste Zusatzkosten von über 150 000 Franken - bei einem Umsatz von 4 Millionen - in Kauf nehmen. «Es goht üs as Läbige.» Beim grössten Schweizer Schifffahrtsunternehmen am Bodensee, der SBS AG, drohen dadurch jährliche Ausfälle von über 250 000 Franken (Umsatz 5 Mio. Franken im Kursverkehr). Das sei mehr als die Subventionen, die seine Gesellschaft vom Kanton Thurgau zur Deckung der Unkosten im Kursverkehr erhalte, wie SBS-Direktor Martin Böller sagt. Im laufenden Geschäftsjahr unterstütze der Kanton Thurgau die SBS mit 239 000 Franken. Den Rorschacher Schiffsbetrieben droht nach Auskunft von Betriebsleiter Kurt Reich ein «Steuerausfall von gegen 20 000 Franken».

Auch BAV schlägt zu

Die neuen Steuern auf Treibstoffen sind aber gemäss eines Berichts der «NZZ am Sonntag» nicht die einzige bittere Pille aus Bundesbern. Wie die Verantwortlichen am Bodensee bestätigen, plant das Bundesamt für Verkehr (BAV), die Sicherheitsbestimmungen auf den Schiffen «markant zu verschärfen». So sollen künftig auf den Schiffen Schwimmwesten «für sämtliche Passagiere» vorgeschrieben werden. Im Schnitt liegt der Abdeckungsgrad bei den drei Schweizer Bodensee-Schifffahrtsgesellschaften zwischen 50 und 75 Prozent. Auch fordert das BAV, die Schiffe müssten im Winterhalbjahr so genannte «Sammelrettungsmittel» ebenfalls für alle Passagiere mitführen. Gedacht wird dabei vor allem an Rettungsboote oder aufblasbare Gummirettungsinseln. Die meisten Schweizer Schiffe am Bodensee verfügen weder über das eine noch das andere «begehbare» Rettungsmittel. Für die SBS würden diese BAV-Vorschriften nach Böllers Berechnungen Investitionen von rund 20  000 Franken für die Aufstockung von Schwimmwesten und gut 120 000 Franken für die Nachrüstung von Rettungsbooten nach sich ziehen. Die URh rechnet für die Beschaffung von Rettungsbooten mit Zusatzkosten von über 220 000 Franken. Dazu kämen noch «Umbau- und Wartungskosten von einigen tausend Franken», gibt Eberle zu bedenken. Kurt Reich von den Rorschacher Schiffsbetrieben mag gar nicht daran denken: «Wir müssten allein für die Nachrüstung von Rettungsinseln mehrere 10 000 Franken hinblättern.» Das aber ist nicht Reichs einzige Sorge: Diese Rettungssachen müssten auf den Schiffen auch verstaut werden können. «Doch ich weiss zurzeit nicht, wo dies noch möglich wäre.»

Politik soll helfen

Auslöser für die Pläne des Bundesamtes für Verkehr (BAV) sind nach Vermutung von URh-Direktor Konrad Eberle die verschärften Sicherheitsvorschriften auf dem Genfersee. Eingeführt worden seien diese von den französischen Behörden nach der Tunnelkatastrophe am Montblanc.
«In vorauseilendem Gehorsam» sei jetzt das BAV daran, neue Sicherheitsbestimmungen für alle Schifffahrtsbetriebe in der Schweiz bezüglich der Rettungsmittel zu erlassen, kritisiert Eberle. Gespräche mit BAV-Verantwortlichen hätten bis jetzt zu keinen Zugeständnissen in dieser Sache geführt. So hofft jetzt Eberle auf die politische Mithilfe der Standesvertreter aus den Anrainerkantonen Thurgau, St. Gallen und Schaffhausen, um das Damoklesschwert über der Schweizer Schifffahrt «noch rechtzeitig abzuwenden».

(St. Galler Tagblatt -  Doris Burkhardt Rohrer. v. 09.07.04)

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