Überlebt Hafenkiosk 110. Jahr?

Die Pläne für eine Neugestaltung der Hauptstrasse tangieren auch den Kiosk auf dem Hafenplatz. Die Besitzer planen einen Anbau, stehen aber vor einer ungewissen Zukunft. Ein Ausbauprojekt vor 70 Jahren ging bis zu einem Bundesrat.

Hanspeter und Daniela Krüsi sind seit Oktober 2006 Besitzer des Kiosk-Gebäudes auf dem Hafenplatz. Der Mietvertrag mit dem Kanton für Boden, auf dem es steht, läuft 2014 aus. Ob er verlängert wird, ist ungewiss.

Seit der Bahnhof umgebaut und der Bahnschalter geschlossen wurde, ist der Kiosk Anlaufstelle vieler Reisenden. Weil am Wochenende auch das Rorschacher Tourist Office nicht besetzt ist, wird der Kiosk immer stärker zum «Mädchen für alles». «Das Geschäft läuft gut. Wenn es so weitergeht, sind wir in zwölf Jahren schuldenfrei» sagt Hanspeter Krüsi. Doch seine Anlage, besonders die Ausdehnung mit Imbissecke und bunter Einrichtung wie Warenständer, Tischchen und mehrfarbige Schirme mit Reklamebeschriftungen, gab öfters Anlass zu Beanstandungen durch die Behörden. Das Ehepaar Krüsi wurde aufgefordert, Bauvorschriften einzuhalten – der Hafenplatz soll zu einem einladenden Stadtbild beitragen.

Umgestaltung der Hauptstrasse

Der Stadtrat, der die Hauptstrasse und den Hafenplatz attraktiv umgestalten will, befasste sich schon seit längerem mit der Situation rund um den Kiosk. Da die Strasse nach ihrem Umbau noch näher an den westlichen Teil des Kiosks reichen wird, wurde Krüsis schon beim Kauf des Kiosks vorgeschlagen, den Betrieb in die leerstehenden Räume des einst konkurrierenden Kiosks im Hafenbuffet-Gebäude zu verlegen. Die Lage wäre für Kunden verkehrstechnisch weniger gefährlich, die Sicht auf den See freier. Damals waren Krüsi aber die Kosten zu hoch, und jetzt besteht die Chance für eine Verlegung nicht mehr: Diese Räume im Hafenbuffet beziehen demnächst das Tourist Office und ein weiterer Mieter.

Visiere für Erweiterung

So bleibt die Zukunft des Kiosks ungewiss – zumal im Mietvertrag sogar die Möglichkeit einer entschädigungslosen vorzeitigen Aufhebung festgehalten ist. Trotz dieser Ungewissheit hat sich das Ehepaar Krüsi entschlossen, eine bescheidene Erweiterung zu planen, um dem Kiosk gesamthaft ein neues Erscheinungsbild zu geben. Es wird demnächst ein Baugesuch einreichen, für das bereits die Bauvisiere gestellt wurden. An der Ostseite des Kiosks soll ein gläserner Anbau als Wintergarten entstehen, der die Sicht auf den See nicht vermindern soll. Das bunte Gemisch der Plastikeinrichtung wollen Krüsis mit wertvolleren Möbeln und eleganten Sonnenschirmen ersetzen, die ganze Anlage soll eine gediegene Atmosphäre ausstrahlen. Der Platz sei «ja ideal für Reisende und Touristen, die sich nahe am städtischen Leben und mit Blick auf Hafen und See erfrischen wollen».

Brief an den Bundesrat

Noch ist das Gesuch nicht eingereicht, haben weder die Stadtbehörden noch die Bevölkerung zu den Ausbauplänen Stellung nehmen können. Ob es zu Reaktionen kommen wird wie vor über 70 Jahren? Damals wollte der Tessiner Emilio Togni, der seine Waren seit 1924 in zwei bereits um die Jahrhundertwende errichteten, runden Kiosken anbot, einen neuen Kiosk bauen. Die Bewilligung verschleppte sich. Aus der Bevölkerung gab es Widerstand. «Der Tschingg kann uns doch nicht den Blick auf den See verbauen», schimpften einige. Togni wehrte sich. Seine Frau, eine Lehrerin, und wie er aus dem Bleniotal stammend, schrieb an den Tessiner Bundesrat Motta und bat um Hilfe. Einige Zeit später durfte Togni bauen. In der Stadt hielt sich das Gerücht, der Bundesrat habe persönlich auf den Stadtrat eingewirkt. Und dass dann beim Bau 1934 auch ein Keller ausgehoben wurde – der bis heute bei Hochwasser dicht ist –, ermöglichte eine geheime Absprache zwischen Togni und dem ihm gut gesinnten Baumeister Rudig.

Den Hafenplatz aufwerten

Der Bedarf für eine Kiosk-Anlage mit Imbiss-Möglichkeiten zu allen Jahreszeiten am oder auf dem Hafenplatz ist ausgewiesen. Ob sich der Kiosk aber nach dem Ausbau der Strasse und dem Ablauf des Mietvertrages für den Boden noch an dieser Lage halten kann, ist ungewiss. Der Stadtrat hat das Konzept für die Neugestaltung der Hauptstrasse verabschiedet und dem Kanton als Eigentümer der Strasse zur weiteren Planung übergeben. Die bereits weit gediehenen Pläne werden im Frühling 2009 öffentlich aufgelegt mit dem Ziel, 2010 die erste Etappe zu verwirklichen. Wie kantonale Behörden die Situation des Kiosks im Zusammenhang mit der neuen Straßenführung beurteilen und ob er überhaupt am bisherigen Standort bleiben kann, ist noch offen.

Der Stadtbehörde liegt daran, einen attraktiven Hafenplatz zu schaffen mit einer Lösung, die auch die Kioskbesitzer und die Bevölkerung zufriedenstellt. «Die jetzige Situation ist unbefriedigend. Wenn das Baugesuch eintrifft, wird es der Stadtrat im Rahmen üblicher Verfahren beurteilen. Auch die Stadtbildkommission wird sich damit befassen», sagt Florian Kessler vom Bereich Bau und Stadtentwicklung.

Die Rorschacher, seit über hundert Jahren an einen Kiosk am Hafenplatz gewohnt, hoffen, dass die Behörden und das Ehepaar Krüsi eine Lösung finden. Wie 1934 bei Emilio Tognis Gesuch wird sich heute wohl kein Bundesrat mehr mit dem Rorschacher Hafenkiosk beschäftigen.

(Otmar Elsener/St. Galler Tagblatt v. 18.12.08)

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