Auf zu neuen Ufern

Die neuen Besitzer der Bodenseeflotte ziehen eine durchzogene Bilanz nach der ersten Saison. Sorgenkind bleibt die Kursschifffahrt, die weiter Verluste einfährt. Die Trendwende sollen verschiedene Massnahmen bringen. Zum einen will man vermehrt das deutsche Ufer anfahren, wo der Tourismus 15- bis 20-mal so stark ist wie in der Schweiz. Die Strategie soll bereits im nächsten Jahr mit zwei ersten neuen Kursen über den See umgesetzt werden. Zum anderen planen die Verantwortlichen, touristische Destinationen in der Ostschweiz besser mit der Schifffahrt zu verknüpfen. Mit dem Connyland laufen Verhandlungen. Um in die Gewinnzone zu kommen, braucht es auch neue Tarifstrukturen, stellt Verwaltungsrats-Präsident Hermann Hess klar. Im Fährverkehr macht man sich Gedanken über den Halbstundentakt.

(St. Galler Tagblatt v. 15.11.07)


«Wir sind nicht mehr so brav»

Die Bodenseeflotte muss nochmals auf die Suche nach einem Geschäftsführer gehen. Davon abgesehen sei die Firma strategisch auf Kurs, sagt Verwaltungsratspräsident Hermann Hess. Im neuen Jahr laufen die Schiffe vermehrt das deutsche Ufer an, und im Fährverkehr macht man sich Gedanken über den Halbstundentakt.

Herr Hess, sind die Ostschweizer in den letzten Monaten in Scharen auf die Schiffe der Bodenseeflotte geströmt, dankbar, dass sie weiter in Schweizer Hand ist?

Hermann Hess: Bei den Kursschifffahrten liegen wir rund 5 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Sehr erfreulich entwickelt haben sich die Sonder- und Eventfahrten mit einem Plus von 50 Prozent, 40 Prozent mehr waren es bei den Charterfahrten.

Wie hat sich der Fährverkehr zwischen Romanshorn und Friedrichshafen entwickelt?

Hess: Die Frequenzen bewegen sich leicht über dem Vorjahr. Wir überlegen uns jetzt, ob es nicht strategisch sinnvoll wäre, auf den Halbstundentakt zu gehen. So könnte der Bodensee kleiner gemacht werden. Für die Verdichtung des Fahrplanes brauchten wir allerdings zwei neue Fähren, was Investitionen von 20 Millionen Franken bedeuten würde.

Wie war die Werft ausgelastet?

Hess: Wir hatten mehr zu tun als erwartet, was vor allem daran lag, dass sich beim Unterhalt der eigenen Schiffe Nachholbedarf aufgestaut hatte. Die Fähre Romanshorn beispielsweise ist voller Rostflecken, die zwar keinen Einfluss auf die Betriebssicherheit haben, aber nicht schön sind. Die SBB schoben die Arbeiten in der Vergangenheit tendenziell vor sich her. In der Gesamtrechnung wirken sich die Revisionsarbeiten negativ aus.

Sind die Rostflecken symptomatisch für den Zustand des Betriebes?

Hess: Nein, wir haben eine intakte Mannschaft an Bord, die fast schon mit Begeisterung hinter dem Unternehmen steht. Auf der Führungsebene haben wir verschiedene Änderungen vorgenommen, so dass wir jetzt bereit sind, die Entwicklung der Firma weiter voranzutreiben.

Der vorgesehene Geschäftsführer ist allerdings abgesprungen.

Hess: Wir konnten uns über verschiedene Details des Vertrages schließlich nicht einigen. Wir bedauern diese Entwicklung. Wir führen aber bereits eine neue Verhandlung.

Wie präsentiert sich die SBS finanziell?

Hess: Das Jahr 2007 wird, aufgrund der erhöhten Unterhaltsaufwendungen, mit einem etwas größeren Verlust abschließen als 2006. Dabei war schon 2006 kein gutes Jahr. Die SBB versprachen uns einen Gewinn von 250 000 Franken, tatsächlich resultierte ein Verlust in der gleichen Höhe.

Ihre Gruppe will das Unternehmen weiterentwickeln. Was hat sich bis jetzt geändert?

Hess: Gar nichts. Wir können bei der SBS nicht im Laufe des Jahres das Ruder herumreißen. Wir haben aber in den letzten Monaten sehr viel gearbeitet. Erste Kurskorrekturen nehmen wir im nächsten Jahr vor.

Konkret?

Hess: Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Kursschifffahrt. Wenn wir nicht weiter massiv Geld verlieren wollen, muss sich etwas ändern. Wir möchten vermehrt das deutsche Ufer anlaufen, wo der Tourismus 15- bis 20-mal stärker ist als bei uns. Im nächsten Jahr fahren die Schiffe im Uferverkehr eine zusätzliche Schlaufe über Unteruhldingen und Meersburg. Zudem gibt es einen neuen Kurs von Rorschach nach Romanshorn über Langenargen. 2009 folgen mit Sicherheit weitere Schritte in diese Richtung.

Können Sie mit den Schweizer Schiffen tatsächlich jeden Hafen in Deutschland anlaufen und Passagiere aufnehmen?

Hess: Ja, das können wir. Wir dürfen in Deutschland aber keine Billette verkaufen. Und wenn wir eine Strecke im Ausland fahren, die auch die deutsche Schifffahrtsgesellschaft im Fahrplan hat, müssen wir die Hälfte des Erlöses abgeben.

Ist das interessant?

Hess: Damit es interessant wird, müssen wir uns ganz genau überlegen, was wir machen wollen. Erfolg versprechende Lösungen sind schwierig zu finden, weshalb man in der Vergangenheit meist die Finger davon ließ.

Sie wollen versuchen, Lösungen im Rahmen des bestehenden Systems zu finden, und nicht, das System selber zu ändern?

Hess: Man kann grundsätzlich die heutigen Verträge ändern. Wir müssten diesen Weg beschreiten, wenn wir die Überzeugung hätten, dass wir uns nicht Gehör verschaffen könnten. Früher gaben die Deutschen den Takt an, und alle anderen nickten. Die neuen Eigentümer sind nicht mehr so brav wie die SBB und die ÖBB. Vielleicht ist das ganz gut für den Bodensee.

Das tönt nach Konfrontation in einem ohnehin angespannten Verhältnis, da Ihre Gruppe den Deutschen die SBS weggeschnappt hat. Geht das gut?

Hess: Wir haben gerade kürzlich Gespräche mit Vertretern der Deutschen Bodensee-Schiffsbetriebe geführt, die sehr freundschaftlich verliefen. Wir sind uns einig, dass wir gemeinsam den See besser vermarkten müssen. Nur so kann der stetige Abwärtstrend bei den Passagierfrequenzen gewendet werden. Zusammen werden wir uns jetzt ganz intensiv Gedanken machen, welche Möglichkeiten es gibt.

Sind weitere Maßnahmen geplant, um die Schifffahrt attraktiver zu machen?

Hess: Wir sind daran, die Schifffahrt mit touristischen Destinationen in der Ostschweiz zu verknüpfen, wofür neue Anlegestellen am Thurgauer Ufer hilfreich wären. Das Veloferienland Thurgau beispielsweise könnte mit Kombiangeboten noch viel besser in Deutschland vermarktet werden. Mit dem Connyland sind wir bereits in Verhandlungen. Schifffahren soll auch einfacher werden: Wir wollen im Internet die Angebote tagesaktuell aufbereiten. Es laufen zudem Bemühungen, die Fahrplanstruktur kundenfreundlicher zu gestalten. Unsere große Sorge sind aber die Tageskarten. Unser Ziel ist es letztlich, Bodensee-Schiffstageskarten zu haben. Werden wir weiter gezwungen, zu günstige Tageskarten abzugeben, so müssen wir die Kursschifffahrt einschränken. Es laufen in dieser Sache Diskussionen mit dem Kanton. Wir müssen versuchen, uns gegenseitig besser zu verstehen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Vorarlberg Lines und den Rorschacher Schiffsbetrieben?

Hess: Mit den Österreichern haben wir operativ im Moment keinen direkten Kontakt. Wir sind einfach übers Aktionariat sehr freundschaftlich miteinander verbunden. Das wird sich ändern, wenn die MS Sonnenkönigin Mitte des nächsten Jahres in Verkehr gesetzt wird. Die Österreicher und wir stellen gemeinsam das Personal für den Luxusliner, für den eine eigene Betriebsgesellschaft gegründet wurde. Wir versprechen uns sehr viel von der Sonnenkönigin, die das größte und wohl auch exklusivste Binnenschiff Europas ist. Sie soll zum eigentlichen Imageträger für den ganzen See werden.

(Interview: Markus Schoch/St. Galler Tagblatt v. 15.11.07)

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