Mit dem Schiff zu Bach und Händel

Klosterfahrt

Themse und Rhein sind schwerlich miteinander zu vergleichen. Aber es sollte ja auch keine Rekonstruktion jener Fahrt auf der Themse werden, zu welcher der englische König George I. vor knapp dreihundert Jahren geladen hatte und bei der die zahlreichen Barken mit den Gästen von einem Floss begleitet wurden, auf dem rund 50 Musiker jene heute als «Wassermusik» bekannten drei Suiten von Georg Friedrich Händel spielten. Die Schaffhauser Version hieß denn auch treffend «Musik am Wasser» und begann am vergangenen Samstag unter strahlender Sonne mit dem Ablegen der «Munot» von der Schaffhauser Schifflände. Vor der ehemaligen Klosteranlage St. Katharinental wurde festgemacht, und in der Uferanlage spielte die Sinfonietta Schaffhausen unter Leitung von Paul K. Haug Sätze aus den «Wassermusik»-Suiten. Das Publikum hörte entweder auf dem Festland oder aber vom Oberdeck der «Munot» zu. Natürlich verwehte das laue Sommerlüftchen diesen oder jenen Ton und vermischte sich die Musik mit dem Plätschern der Wellen, dem Zwitschern der Vögel oder dem Knattern der vorbeifahrenden Motorboote, aber die Sinfonietta versuchte erst gar nicht, die «Natur» zu übertönen, sondern musizierte stoisch mitten in ihr, hielt den Rhythmus der tänzerischen Sätze, ließ das Festliche mit den Bläsern auftrumpfen und setzte mit straffem Streicherklang die gerade bei dieser Akustik notwendigen Akzente. Ein idyllisches, wassernahes Freiluftkonzert.

Nach einer Lunchfahrt auf der «Munot» rheinaufwärts bis zum «Schupfen» und zurück fand das zweite Konzert statt, diesmal in der barocken Klosterkirche St. Katharinental. Man erlebte eine ungewöhnliche, höchst eindrucksvolle Begegnung mit Solowerken von Johann Sebastian Bach. Der aus China stammende, an der Hochschule für Musik und Theater München ausgebildete 28-jährige Bratschist Wen Xiao Zheng und der sieben Jahre jüngere, in München studierende Geiger Felix Key Weber stellten die Suite Nr. 4 für Cello in Es-Dur (für Bratsche transponiert) und die für Violine gesetzte Partita Nr. 2 d-Moll einander gegenüber. Im Hall dieses Raums, der den Soloinstrumenten Vielstimmigkeit zu verleihen schien, gewannen die Werke eine emotionale Intensivität, die mitzureissen vermochte. Beide jungen Künstler bewiesen ein hohes technisches Können und große Musikalität und überzeugten – vor allem Wen Xiao Zheng – mit einer beseelten Interpretation. Dass sie auf gleichem Niveau auch miteinander zu musizieren verstehen, bewiesen sie mit der Wiedergabe einer Passacaglia, die Georg Friedrich Händel zuerst für Cembalo komponierte und später in einem Orgelkonzert verwendete. Der norwegische Komponist Johan Halvorsen bearbeitete das Stück 1894 für Violine und Viola und reicherte es mit eigenen, vor allem auf Effekte setzenden Ideen an, die Felix Key Weber und Wen Xiao Zheng virtuos umsetzten.

(Martin Edlin/Schaffhauser Nachrichten v. 25.05.09)

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