Vom Kapitän zum Passagier

Nach 28 Jahren hat sich Fritz Isler für die Frühpensionierung entschieden - 
Die Arbeit war mit viel Stress verbunden

Untersee. Als die «Arenenberg» am Sonntag, 3. Oktober, um 18.10 Uhr in Schaffhausen anlegte, war dies scheinbar ein Anlegemanöver wie andere auch. Dabei war es ein besonderes Ereignis, denn der 61-jährige Kapitän Fritz Isler stand zum letzten Mal am Ruder, ehe er Ende April nächstes Jahr in die Frühpension geht.

An jedem Halt ein Präsent

Es war ein schöner Abschied für Fritz Isler, denn das Wetter für den Kurs 505/518 von Schaffhausen über Kreuzlingen zurück nach Schaffhausen war noch einmal sehr schön, und viele Passagiere nutzten diese Gelegenheit für einen Schiffsausflug. Was kann sich ein Kurskapitän mehr wünschen? Zudem war der Schaukasten auf der «Arenenberg» zu Ehren Islers mit alten Bildern geschmückt, und an fast jeder Anlegestelle erwartete ihn eine Überraschung.

Andere Seen befahren

Bis zum Ende seiner Dienstzeit wird Fritz Isler auf der Werft noch mithelfen, damit auf den Schiffen wieder alles in Ordnung ist. «Mir wird wohl erst nächsten Frühling, wenn die neue Saison beginnt, richtig bewusst, dass jetzt alles anders ist», sagt der in Eschenz aufgewachsene und in Schaffhausen lebende Isler. Trotzdem weiß er heute schon, was er dann machen wird. Er will in der Schweiz herumreisen und als Passagier andere Seen befahren - in Ruhe und ohne Stress. Dafür habe ihm bisher die Zeit gefehlt.

Stressfaktor Schlauchboote

Isler hat sein Kapitänspatent 1976 erworben, nachdem er 1964 als Matrose bei der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein angeheuert hatte. Vorher arbeitete er bei der Bernina in Steckborn und hatte eine Berufslehre als Kleinmechaniker absolviert. Zur Schifffahrt war er über einen Freund gekommen, der als Maschinist bei der Schifffahrtsgesellschaft tätig war. In dieser Zeit hat sich auf dem Untersee und Rhein vieles verändert. Als markanteste Entwicklung bezeichnet Isler die starke Zunahme der Schlauchboote. «Es grenzt an ein Wunder, dass wir diese Saison keine Unfälle hatten», sagt er. Das gelte vor allem für den Rhein. «Und die Fahrt von Stein am Rhein nach Schaffhausen ist purer Stress.». Aus diesem Grund würden Kursschiffe oft langsamer als erlaubt fahren und es komme nicht selten vor, dass sie gar anhalten müssten, obwohl sie grundsätzlich Vortritt hätten. «Das geht vielen Kapitänen auf die Nerven», sagt Isler offen. Probleme gibt es auch mit Schwimmern, vor allem bei warmem Wasser und niedrigem Pegelstand. «Sie halten sich dann oft in den Fahrrinnen der Kursschiffe auf», blickt er zurück und schüttelt den Kopf. Es sei deshalb nicht erstaunlich, dass es bereits Tote gegeben habe. Als Kapitän sei ihm das zwar nicht selber passiert, «trotzdem beschäftigt einen so etwas natürlich.» Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung hat sich Isler für die Frühpensionierung entschieden: «Die Arbeit ist mit viel Stress verbunden.»

Über 1,5 Millionen Fahrgäste

In 40 Jahren hat Isler auch interne Veränderungen miterlebt. Er erinnert sich vor allem an die Reduktion der Schiffsbesatzungen von vier auf drei Mitglieder, als der Matrose gestrichen wurde. Damit sei der Druck auf heutige Besatzungen mit dem Kapitän, einem Mechaniker und einem Kassier/Matrosen enorm gestiegen. Es gibt aber auch Bereiche, in denen sich nicht viel verändert hat oder die Veränderungen nur schrittweise eingeführt wurden, beispielsweise bei der Sicherheit. Sicherheitsanpassungen wie sie derzeit diskutiert würden, habe es in 40 Jahren nicht gegeben.

Weniger Platz

Nun fragt sich Isler: Wie sollen Schifffahrtsgesellschaften das finanzieren und wo soll dieses Material auf den Schiffen untergebracht werden? Doch mit solchen Gedanken muss er sich bald nicht mehr befassen, außer er hat künftig als Passagier weniger Platz als seine über 1,5 Millionen Fahrgäste, welche Isler als Kapitän in 28 Jahren beförderte.

(St. Galler Tagblatt v. 19.10.04)

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