Die Seeschlacht

Konstanz und Lindau kämpfen um den Hafen - was den Romanshornern erspart geblieben ist

Bayern muss am Bodensee verteidigt werden. Lindau streitet dafür, seinen Hafen nicht hergeben zu müssen. Den Anspruch darauf erhebt Konstanz, eine badische Stadt. Die Lindauer sagen: "Das lassen wir uns nicht gefallen."

Die Stadtwerke Konstanz kaufen 2003 die Bodensee- Schifffahrtsbetriebe der Deutschen Bahn: 14 Schiffe und die Hafenanlagen von Lindau. Die neuen Eigentümer setzen die Schiffe auf Kurs. Den Hafen wollen sie wirtschaftlich nutzen.

Der Löwe brüllt

Dürfen Badener einen bayrischen Hafen besitzen? Für Bajuwaren ist schon die Frage ungehörig. Die Lindauer ersinnen eine juristische Finesse: Sie erlassen für den Hafen ein städtebauliches Vorkaufsrecht und blockieren dadurch im Grundbuch den Eigentümerwechsel. Die Badener sind vorerst gestoppt. Erbittert wird seither gestritten. Herzenssachen brauchen eine Symbolik. Den Lindauern schenkt sie der Löwe: Seit 1856 bewacht er die Hafeneinfahrt; das Monument ist sechs Meter hoch und das Wahrzeichen der Stadt. Lindau gehört seit zweihundert Jahren zu Bayern, war ein Geschenk Napoleons 1806, der den Bayern damit einen Zugang zum Schwäbischen Meer verschaffte. Der Löwe ist auch das bayrische Wappentier. In badische Hände soll er nicht fallen.

Für einen Euro

Die Konstanzer kämen den Lindauern entgegen. Sie würden Lindau das Monument überlassen, den bayrischen Löwen symbolisch für einen Euro übergeben. Doch die Geste besänftigt noch kein Gemüt. Die Lindauer fühlen sich bestärkt, seit sie aus der Münchner Staatskanzlei erfahren haben, die Regierung des Freistaates stärke ihnen im Kampf um den Hafen den Rücken.

"Seeschlacht am Bodensee" titelt die "Süddeutsche Zeitung" in München. Das Fernsehmagazin "quer" übermittelt im Bayrischen Fernsehen, was die Lindauer sagen: "Wir Bayern lassen uns nichts wegnehmen!"

Aufstand am Schweizer Ufer

Am andern Ufer des Sees können die Romanshorner daraus ersehen, was ihnen erspart geblieben ist. Ihr Hafen wäre um ein Haar ebenfalls an die badischen Nachbarn gefallen. Mitsamt den Schiffen der Schweizerischen Bodenseeflotte wollten die SBB die Hafenanlagen nach Konstanz verkaufen. Sie priesen diese Absicht "als die beste Lösung".

Die Romanshorner haben keinen Löwen. Ihre Figur heißt Mocmoc, und damit ist kein Staat zu machen. Dafür waren Schiffe mit der Schweizer Flagge auf Kurs. Die Rebellion erfasste die Region: "Nach Konstanz? Das fehlte noch!"

Gesucht: Identität

Diese Seeschlacht ist geschlagen. Die Schiffe sind in den Heimathafen zurückgekehrt und die Eigentumsverhältnisse sind geklärt: schweizerisch statt deutsch. Der Seegang ist seitdem wieder ruhig. Die Wirtschaftswelten sind globalisiert, alle Distanzen im Nu überbrückt. Gesucht scheint Lebensraum, der Identität gibt und diese erhält. So ist man denn an den Ufern des Bodensees untereinander das geblieben, was man immer schon war: Nachbar und mehr nicht. Heimat ist eine Kleinparzelle.

Lebender Löwe saß Modell

Schiffsländen bestanden in Lindau schon seit tausend Jahren, der Hafen in heutiger Form wurde 1856 gebaut. Schützten einst nur Pfähle vor Feinden, Wind und Wellen, so begann das Königreich Bayern - Lindau war 1806 an dieses gefallen - 1811 mit der Errichtung fester Hafenmauern.

Leuchtturm, Löwenstatue

Mit der Annäherung der Eisenbahn wurde ein größerer Hafen notwendig, Lindau blühte als Verkehrsdrehscheibe und Handelsstadt auf. Baden-Württemberg machte sich am See breit, nach seinem König wurde aus dem alten Buchhorn das umbenannte Friedrichshafen. Ein Maximilienhafen setzte sich in Lindau nicht durch, aber der gleichnamige Bayernkönig wollte am See ebenfalls einen repräsentativen Vorposten schaffen. So baute man 1856 den Lindauer Hafen in der heutigen Form samt Leuchtturm und der sechs Meter hohen Löwenstatue aus Sandstein auf der Ostmole.

Den bayrischen Löwen meißelte der Künstler Johann Halbig nach Vorlage. Dazu musste aus einem Münchner zoologischen Garten ein lebendiger Löwe per Bahn an das Bodenseeufer transportiert werden, der dem Bildhauer Modell saß.

Ausflugsschiffe

Als Frachthafen wurde Lindau nach Inbetriebnahme der Arlberg-Bahn bedeutungslos, und der 1869 aufgenommene Trajektverkehr, insbesondere nach Romanshorn, wurde 1939 mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges eingestellt.
Heute laufen vor allem die Ausflugsschiffe der Weißen Flotte
Lindau an, das Hafengelände wurde zu einer einträglichen "Touristenfalle" für die Inselgäste aus aller Welt.

(St. Galler Tagblatt v. 13.02.07)

 

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