Alles abgemacht

Zum Verkauf der Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft liegen unterschriftsreife Verträge vor ? 70 Bootsplätze als Zugabe

Romanshorn. Entgegen der Behauptung der SBB liegt ein Vertrag mit den Stadtwerken Konstanz über den Verkauf der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) unterschriftsreif vor. Und auch der Preis ist festgesetzt.

Beim geplanten Verkauf der SBS nach Konstanz blieben bis jetzt viele Fragen unbeantwortet. Dem "Tagblatt" liegt ein Protokoll des Konstanzer Gemeinderates vom 28. April des letzten Jahres vor, das einiges klärt.

So bestehen offensichtlich bereits seit einem Jahr unterschriftsreife Kaufverträge, was die SBB als Verkäufer stets bestritten. Es war immer nur von Verhandlungen die Rede, die weit fortgeschritten seien. Festgelegt ist auch der Preis für die SBS AG, um den die Beteiligten immer ein grosses Geheimnis machten.

Hafenanlage für 1,6 Millionen

Das Aktienpaket der SBS AG von 97,4 Prozent soll für 830 000 Franken den Besitzer wechseln. Die gesamten Grundstücke und die Hafenanlagen in Romanshorn sind mit 1,6 Millionen Franken bewertet. Insgesamt müssten die Stadtwerke Konstanz 2,43 Millionen Franken bezahlen. Insider bewerten die Gesellschaft mit mindestens 6 Millionen Franken. Die SBB halten den Vergleich für unzulässig. "Der Betrag von 2,43 Millionen Franken ist nicht korrekt, weil er nur ein Teil der finanziellen Verpflichtungen des künftigen Käufers darstellt", sagte Mediensprecherin Michèle Bamert gestern auf Anfrage. Das Konstanzer Papier erwähnt in diesem Zusammenhang einen Beitrag zur Sanierung der Pensionskasse in der Höhe von 800 000 Franken; es besteht eine Deckungslücke auf den Rentenkonten der SBS-Mitarbeiter von 1,6 Millionen Franken. Berücksichtigt in den 2,43 Millionen Franken ist ebenfalls die Erhöhung des Kaufpreises um 130 000 Franken, weil die SBB auf eine Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr 2003 von 130 000 Franken verzichten wollten.

Risiken beherrschbar

Nach Meinung der Stadtwerke Konstanz sind die Risiken bei der Übernahme der SBS "beherrschbar", nicht zuletzt wegen der geplanten Erweiterung der Hafenanlage in Romanshorn um 70 Liegeplätze. "Durch konsequentes Handeln der Geschäftsführungen muss es möglich sein, die prognostizierten Ertragssteigerungen der gesamten Gruppe von jährlich rund 500 000 Franken ab dem Jahr 2006 zu erreichen", heisst es im Gemeinderatsprotokoll dazu. Ziel: Ein durchschnittlicher Gewinn von jährlich mindestens 300 000 Euro.

Zustimmung unsicher

Offen ist gemäss Gemeinderatsprotokoll auch, ob die Übernahme rechtlich möglich wäre. Gemäss einem informellen Gespräch soll es unsicher sein, dass das deutsche Regierungspräsidium Freiburg der Transaktion überhaupt zustimmt. Als problematisch wird vor allem das Werftgeschäft beurteilt, weil hier Private Vorrang hätten. Die Stadtwerke teilen die Bedenken der Aufsichtsbehörde nicht, zumal in der Rechtsprechung in diesem Bereich vieles in Bewegung sei. Der Ball liegt ohnehin zunächst in der Schweiz: Am 30. Mai entscheidet das Bezirksgericht Arbon, ob die SBS überhaupt ins Ausland verkauft werden darf. Der SBS-Maschinist Flavio Cason pocht auf seinem Vorkaufsrecht.

 

Wirren um Bodenseeflotte

Geheimes Strategiepapier aus Konstanz: Wird die SBS unter Wert verkauft?

Beim Verkauf nach Konstanz soll die Schweizerische Bodensee-flotte aufgeteilt werden. Mitreden und zahlen könnten der Kanton Thurgau und die Ufergemeinden dann nur im unrentablen Geschäftsteil.

Was haben die Stadtwerke Konstanz mit der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtgesellschaft (SBS) vor? Dem "Tagblatt" liegt ein internes Dokument des Konstanzer Gemeinderates zu dessen künftiger Strategie vor.

Zwei Gesellschaften

Geplant ist, die SBS in zwei separate Gesellschaften aufzuteilen. Ausgegliedert werden soll das rentable Werftgeschäft, das für die Deutschen von großer strategischer Bedeutung ist. Daran würden der Kanton Thurgau und die interessierten Ufergemeinden aber nicht beteiligt. Sie könnten nur von der zweiten Gesellschaft Aktien erwerben, zu welcher der Fährverkehr, die Ausflugschifffahrt und die Bootsplatzvermietung gehören und die - dank Zuschüssen von Bund, Kanton und Gemeinden - ertragsneutral wirtschaften soll. Der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor Kaspar Schläpfer, der sich noch vergangene Woche öffentlich für den Verkauf der SBS nach Konstanz stark gemacht hatte, will die Absichten der Stadtwerke nun nicht kommentieren: "Ich kenne das Papier nicht."

Zu tiefer Preis?

Genannt wird im gemeinderätlichen Konstanzer Protokoll auch der Verkaufspreis, um den die Beteiligten bis jetzt immer ein großes Geheimnis gemacht hatten. Für 2,43 Millionen Franken soll die SBS den Besitzer wechseln; Insider bewerten die Schiffsbetriebe mit mindestens sechs Millionen Franken. Die SBB geben als Verkäuferin zu bedenken, dass im Preis weitere finanzielle Leistungen des Käufers nicht enthalten seien. Der Widerstand im Volk gegen die Pläne der SBB ist groß. In einer Strassenumfrage bei 50 Personen hagelte es ausschließlich Kritik. 

 

Kaufen und zerstückeln

Zwei unabhängige Gesellschaften geplant: Profitable Werft würde ausgegliedert

Die Stadtwerke Konstanz wollen die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) nach dem Kauf in zwei unabhängige Einheiten trennen.

Die Deutschen haben genaue Vorstellungen, wie es mit der SBB-Tochtergesellschaft weitergehen soll, falls sie den Zuschlag für den Kauf bekommen sollten. Die SBS soll aufgestückelt werden. Dies geht aus dem Protokoll der Sitzung des Konstanzer Gemeinderates hervor, der dem Kauf der SBS vor einem Jahr zustimmte.

Werft ausgliedern

Die Stadtwerke Konstanz würden das Werftgeschäft, von dem sie Gewinne erwarten, ausgliedern in eine "Bodensee Werft AG" und gleichzeitig dem Schweizer Einfluss entziehen. Der Kanton Thurgau und die Ufergemeinden könnten sich nur mit maximal 24,9 Prozent des Aktienkapitals an der Rest-SBS beteiligen, in die der Fährbetrieb, der Ausflugsverkehr und die Bootsplatz-Vermietung gepackt würde. Geld abwerfen soll diese zweite Gesellschaft nicht, sondern einzig den Aufwand decken, nicht zuletzt dank Zuschüssen der öffentlichen Hand. Wer die Liegenschaften erhalten soll, ist gemäß internem Papier noch nicht geklärt.

Strategisch sinnvoll

Für die Stadtwerke Konstanz ist die Übernahme der SBS AG von großer strategischer Bedeutung. Die Position als wichtigstes Schifffahrtsunternehmen am Bodensee werde so gestärkt, heisst es im Papier. Vor allem die Werft in Romanshorn eröffne neue Möglichkeiten. So könnten künftig auch grosse Fähr- und Personenschiffe selber gewartet und instand gesetzt werden. Zudem wären Neubauten von Schiffen in Eigenregie machbar.

Durch die neu dazu kommenden Schiffe bestehe die Möglichkeit, das Linienkonzept zu optimieren und das Flottenkonzept auf die neue Situation abzustimmen.

Grosse Beteiligung gefordert

Ob sich die Pläne der Konstanzer mit den Erwartungen der Thurgauer Regierung beziehungsweise der Ufergemeinden auf Schweizer Seite des Bodensees decken, ist fraglich. Der Kanton Thurgau und die Schweizer Gemeinden müssten "einen wesentlichen Teil" der Aktien der SBS übernehmen, um ein gewichtiges Wort mitreden zu können, meinte letzte Woche beispielsweise die Arboner Stadträtin Veronika Merz, als sie sich zusammen mit anderen Gemeindevertretern und Regierungsrat Kaspar Schläpfer für den Verkauf der SBS nach Konstanz stark machte.

Oehler für Schweizer Lösung

Mittlerweile hat sich allerdings einiges an der Ausgangslage verändert. Denn SBS-Maschinist Flavio Cason, der als Minderheitsaktionär sein Vorkaufsrecht vor Gericht geltend macht, führt längst keinen einsamen Kampf mehr gegen die Bundesbahnen. Aus der Bevölkerung und der Wirtschaft erhält er grosse Unterstützung. So hat beispielsweise AFG-Chef Edgar Oehler Kapital zugesichert. Mit im Boot ist auch der Romanshorner Privatschul-Unternehmer Peter Fratton und der Amriswiler Unternehmer Hermann Hess.

 

Werft und Hafen werfen Ertrag ab

Nach schwierigen Anfangsjahren schrieb die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) erstmals 2003 und 2004 schwarze Zahlen.

Wie steht die SBB-Tochtergesellschaft finanziell da? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Denn die Geschäftsberichte der SBS lassen vieles offen. Und weder die SBS-Verantwortlichen noch die SBB helfen weiter.

Startschwierigkeiten

Ein paar grundsätzliche Aussagen lassen sich mit Hilfe der offiziellen Dokumente aber doch machen über den Zustand des Betriebes, den die SBB 1996 als selbständige Einheit ausgliederten.

Erstens: Das Unternehmen hatte enorme Startschwierigkeiten. In den ersten sechs Jahren schrieb die SBS stets rote Zahlen. Die Verluste bewegten sich zwischen 550 000 und 3,4 Millionen Franken. Erst 2003 (plus 674 000 Franken) und 2004 (plus 48 500 Franken) fuhr die SBB-Tochter in den Gewinnbereich. Grund für die Wende zum Besseren waren Zuschüsse der öffentlichen Hand. Der Bund, der Kanton Thurgau und die Ufergemeinden leisten Beiträge an die ungedeckten Kosten.

Bootsplätze und Werft rentabel

Zweiter genereller Befund: Mit einzelnen Geschäftsfeldern verdient die SBS Geld, mit anderen verliert sie. Rentabel sind zwei Sparten: Einerseits der Bootshafen mit 350 Plätzen. Ein Grossteil des übrigen Nebenertrages (2004: 921 000 Franken) dürften Mieteinnahmen sein. Und die Rechnung könnte noch besser werden. Denn es sind 70 weitere Liegeplätze in Romanshorn geplant. Konzessionsnehmer wäre die Gemeinde, die aber sämtliche Rechte und Pflichten an die SBS abtreten würde. Einträglich ist andererseits auch die Werft, deren Anteil am Gesamtergebnis der SBS zwischen 14 und 30 Prozent ausmacht. Sie habe "wie in den Vorjahren positive Ergebnisse" geliefert, heißt es im Geschäftsbericht 2004. Quantitative Angaben finden sich jedoch nicht.

Fährbetrieb Sorgenkind

Die übrigen Aktivitäten der SBS sind ein Minusgeschäft. Eines der Sorgenkinder ist der Fährbetrieb zwischen Romanshorn und Friedrichshafen ? ein wichtiger Ertragspfeiler mit zuletzt rund einem Drittel der gesamten Einnahmen. 2002 beispielsweise betrug der Kostendeckungsgrad nur gerade 85 Prozent. Bund (zwei Drittel) und Kanton Thurgau (ein Drittel) gleichen das Defizit allerdings teilweise aus. Dieses Jahr zahlen die beiden 635 000 Franken an die grenzüberschreitende Verbindung. Im roten Bereich fährt auch die Ausflugsschifffahrt; genaue Zahlen sucht man in den Geschäftsberichten allerdings vergeblich. An die fahrplanmäßige Uferschifffahrt zahlen der Kanton und die Gemeinden dieses Jahr 180 000 Franken.

 

Oberthurgauer klar gegen Verkauf

Noch bevor der Verkaufspreis der SBS-Flotte publik wurde, führte das «Tagblatt» an vier Standorten in Arbon und Romanshorn eine Umfrage zum Thema Verkauf der Bodensee-Flotte nach Deutschland durch. Von gegen 50 Personen, die angesprochen wurden, fand sich niemand, der den Verkauf ins Ausland befürwortet hätte. Die Meinungen waren einhellig: Ein Verkauf der Schifffahrtsgesellschaft nach Konstanz wird als "Schande für die Schweiz" wahrgenommen. "Die Schweizer haben irgendwann gar nichts mehr", hielt etwa eine Arbonerin fest. Daneben wurde vor allem argumentiert, es sei ungewiss, in welcher Art die Schweizer Ufergemeinden nach einem Verkauf angelaufen würden. Zudem spielt auch die Angst vor einem Verlust der Arbeitsplätze eine Rolle in der Meinungsbildung. Ein Befragter glaubt: "Die SBB und die Regierung werden Rücksicht auf den Druck nehmen müssen, der nun aufkommt."

(Markus Schoch/St. Galler Tagblatt v. 08.04.06)

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