Konzentration aufs Kerngeschäft

SBB bezeichnet Stadtwerke als bisher einzige offizielle Käuferin der Schweizer Schiffe

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) wollen ihre Bodensee-Schiffe nach wie vor verkaufen, wie Paul Blumenthal, Leiter Personenverkehr SBB, gestern betonte . Eine offizielle Käuferin gebe es mit den Stadtwerken Konstanz, von einer Investorengruppe um den Unternehmer Hermann Hess habe er aus den Medien erfahren .

Nach dem Hickhack um den Verkauf der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) an die Stadtwerke Konstanz hat die SBB in die Diskussion eingegriffen . Paul Blumenthal bestätigte den Verkaufspreis von 2,43 Millionen Franken, wobei eine Million für die Rückzahlung des Kontokorrentkredits zu Gunsten der SBB zusätzlich übernommen werden muss . Dieser Verkaufspreis für das SBS-Aktienpaket und die Grundstücke sei nach einem Bewertungs-Gutachten festgelegt worden . Die SBB habe bisher 8,6 Millionen Franken in die SBS investiert . Nur dank der Sanierung und der Subventionierung habe die SBS 2003 und 2004 Gewinne erzielen können . Im Geschäftsjahr 2005 betrage der Verlust 650.000 Franken .

Blumenthal bezeichnete die Stadtwerke als einzige offizielle Kaufinteressentin . Von der Investorengruppe um Hermann Hess, habe er aus Medien gehört . Ein Gespräch habe stattgefunden, das vereinbarte Stillschweigen sei von der Investorengruppe nicht eingehalten worden, ärgerte sich Blumenthal . Der SBB gehe es darum, die Verantwortung für die Schifffahrt am Schweizer Bodenseeufer, den Gemeinden sowie für 55 Arbeitsplätze wahrzunehmen .

"Die Schifffahrt muss gesichert sein", meinte Blumenthal . Doch "die SBB kann sich diese auf Dauer nicht leisten" . Da die Verkaufsangelegenheit aber Sache der Gerichte sei, wolle er keine Zukunftsaussichten machen . "Der Verkauf findet zwischen heute und den nächsten zehn Jahren statt", sagte er diplomatisch .

Für Kuno Werner, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz , soll eine Lösung in absehbarer Zeit getroffen werden . Er finde es schade, dass in der Diskussion auch nationalistische Töne angeschlagen worden seien . Den Stadtwerken gehe es um die Zukunft der Schweizerischen Schifffahrt . Es seien die Interessen der Gemeinden und des Kantons zu berücksichtigen . Werner betonte die Erfahrung der Stadtwerke in grenzüberschreitender Zusammenarbeit . Für den Thurgau stehen vor allem finanzielle Ziele im Vordergrund . Regierungsrat Kaspar Schläpfer hielt fest, dass die Abgeltungskosten für den Fährbetrieb Romanshorn-Friedrichshafen (650.000 Franken) sowie für die Uferschifffahrt (200.000) nach dem Verkauf nicht höher ausfallen sollten . Es stehe dem Kanton nicht an, der SBB vorzuschreiben, an wen sie die verkaufe . Der Zuschlag solle an die Interessenten erfolgen, welche die Ziele gewährleisten könnten .

(Südkurier v. 28.04.06)

 

Thurgauer Unternehmer wollen die Bodenseeflotte 
in der Schweiz behalten

Die SBB möchten die Schweizer Bodenseeschiffe nach Deutschland verkaufen. Doch dagegen wächst Widerstand. Heute äussert sich die Thurgauer Regierung.

Am Anfang schien der Fall klar: Die Schweizer Bodenseeflotte (SBS) - eine Tochtergesellschaft der SBB - geht an die Konstanzer Stadtwerke. So wurde es vor einem Jahr kommuniziert; die Verträge lagen unterschriftsreif vor. Dass sich SBS-Maschinist Flavio Cason gegen den Verkauf nach Deutschland wehrte, erschien als skurriles Geplänkel. Ein Jahr später ist alles anders. Der erste Grund: "David" Cason erwies sich für "Goliath" SBB als unerwartet harter Brocken. Auf die Kunde vom geplanten Verkauf der SBS über die Grenze reagierte Cason, indem er mitteilte, er gedenke, die Gesellschaft "aus patriotischen Gründen" zu kaufen. Der Maschinist berief sich auf das Vorkaufsrecht, das ihm als SBS-Aktionär (er besitzt 1 Aktie) laut Statuten zustehe, genauso wie den 22 übrigen Kleinaktionären auch. Dass die SBB dieses Recht bestritten, beirrte Cason nicht. Vor allem änderte der Widerstand der SBB nichts daran, dass der Verkauf an Konstanz fürs Erste blockiert war. Am 30. Mai muss das Arboner Bezirksgericht die Frage beraten, ob ein Vorkaufsrecht existiert. Dass aus Casons Kaufabsicht eine ernsthafte Alternative zum Verkauf nach Konstanz werden konnte, hat neben der Hartnäckigkeit des Maschinisten einen zweiten Grund: Es fanden sich Mitstreiter - und zwar solche mit bekannten Namen und viel Geld im Sack. Der prominenteste: Edgar Oehler, Ex-CVP-Nationalrat, Besitzer der Arbonia-Forster-Holding, vielfacher Millionär. Auch der Amriswiler Unternehmer Hermann Hess gehört zur "Gruppe Cason". Den zwischen SBB und Konstanzer Stadtwerken ausgehandelten Preis von 2,43 Millionen Franken bringt die Gruppe locker auf. Warum engagieren sich die Investoren, und was würden sie mit der SBS machen? Hermann Hess erklärt: "Wenn die Flotte von den SBB zu den Konstanzern ginge, würde ein Bürokrat den anderen ablösen." Bekäme hingegen die private Gruppe um Flavio Cason den Zuschlag, ließe sich der Schifffahrtsbetrieb attraktiver gestalten, etwa durch zusätzliche Haltestellen, so Hess.

Meinungsumschwung im Thurgau

Der Auftritt der Thurgauer Unternehmer - neben Oehler und Hess gehören weitere dazu - hat in der Thurgauer Öffentlichkeit offenbar einen Meinungsumschwung bewirkt. Von diesem scheint auch die Thurgauer Regierung, bisher entschiedene Befürworterin der Konstanzer Lösung, erfasst worden zu sein. So erklärte Regierungsrat Bernhard Koch unlängst der "NZZ am Sonntag", die Regierung habe "grundsätzlich nichts dagegen, dass die Bodenseeflotte in Schweizer Händen bleibt". Umso gespannter erwartet man, was der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor Kaspar Schläpfer (FDP) an der heutigen Medienkonferenz erklären wird. Dort tritt er zusammen mit Paul Blumenthal, dem Leiter Personenverkehr der SBB, und einem Vertreter der Konstanzer Stadtwerke auf. Schläpfer wollte sich vor der Medienkonferenz nicht äußern.

Viel Applaus für die "Gruppe Cason"

Angesichts des öffentlichen Drucks, der inzwischen im Kanton herrscht, dürfte die Regierung kaum umhinkönnen, die "Schweizer Lösung" genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht nur fallen die Straßenumfragen der Thurgauer Medien unisono pro "Gruppe Cason" aus. Auch von politischer Seite kommt Druck. FDP-Präsidentin Gabi Badertscher sagt: "Ich finde, wir sollten nicht etwas ins Ausland verkaufen, das wir selbst machen können." Für SVP-Präsident Markus Stuber steht im Zentrum, dass eine Lösung gefunden werde, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten tauge. Dann ergänzt er: "Wir sind froh, dass Bestrebungen von Schweizer Seite vorhanden sind. Die Flotte ist etwas Emotionales. Es wäre bitter, wenn alle Bodenseeschiffe unter deutscher Flagge fahren würden." Für Badertscher und Stuber steht fest, dass sich die Stimmung gewandelt hat, seit die Investorengruppe um Oehler aufgetreten ist. Davon ist auch CVP-Präsidentin Cäcilia Bosshard überzeugt. Ihrer Ansicht nach stellt die Investorengruppe "unter Umständen eine gute Alternative" zum Konstanzer Angebot dar. "Die Regierung ist gefordert, ihre Stellungnahme zu überdenken und eine neue Lagebeurteilung vorzunehmen." Auch für Edgar Oehler steht außer Zweifel, dass sich die Regierung bewegen muss: "Sie handelt, zusammen mit den Konstanzer Stadtwerken, gegen das eigene Volk."

(Hannes Nussbaumer/Tages-Anzeiger v.27.4.2006)

 

Vier Wochen geschwiegen

Bodenseeflotte: Stadtrat Arbon korrigiert Missverständnis - Alles offen

Der Arboner Stadtrat gehört offiziell zu den Befürwortern des Verkaufs der Bodenseeflotte nach Konstanz. Doch das ist falsch. Vier Wochen lang ließ sich die Behörde mit dem öffentlichen Dementi Zeit.

"Für den Stadtrat sind grundsätzlich auch andere Lösungen denkbar", sagte die Arboner Stadträtin Veronika Merz am Dienstag dieser Woche vor dem Parlament in der Fragerunde im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) an die Stadtwerke Konstanz.

Arbon offiziell im Boot

Das sind ganz neue Töne. Zur Erinnerung: Vor einem Monat schrieb Volkswirtschaftsdirektor Kaspar Schläpfer namens des Regierungsrates einen Brief an die SBB, die Stadt Konstanz, die Stadtwerke Konstanz und die Gruppe Cason, in dem er sich für den Verkauf der SBS nach Deutschland stark machte, weil das die "nachhaltigste Lösung" sei. Die Haltung werde von acht Ufergemeinden mitgetragen, heißt es darin. Namentlich erwähnt ist auch die Stadt Arbon.

Drei Tage später legte Schläpfer die Überlegungen für den Entscheid an einer Medienorientierung im Hafen Romanshorn öffentlich dar. Mit am Tisch saß neben anderen Kommunalpolitikern auch Merz. Es sei wichtig, dass wesentliche Teile der SBS im Besitz der öffentlichen Hand blieben, sagte sie damals.

"Völlig überrascht"

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, wie die SP-Frau diese Woche vor dem Parlament bekannte. Sie sei "völlig überrascht" gewesen, von Volkswirtschaftsdirektor Schläpfer zu hören, dass die Stadt Arbon die Position der Regierung unterstütze. Denn der Arboner Stadtrat habe sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht festgelegt und es abgelehnt, den Brief von Schläpfer zugunsten der Stadtwerke Konstanz zu unterschreiben, erklärte Merz am Dienstag. Zuerst müssten verschiedene offene Fragen geklärt werden.

Aus "diplomatischen Gründen" habe sie Schläpfer seinerzeit aber nicht korrigiert. Sie habe aber sofort den Stadtrat über das Missverständnis informiert. Stadtammann Martin Klöti sei daraufhin an Schläpfer gelangt und habe ihm die Haltung von Arbon auseinander gesetzt. Von sich aus wäre der Stadtrat gemäß Klöti noch nicht an die Öffentlichkeit getreten. Denn er habe sich noch keine Meinung gebildet; zuerst müssten alle Fakten auf dem Tisch liegen. Schläpfer war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

(Markus Schoch/St. Galler Tagblatt v.  27.04.06)

 

"Ich kaufe euch die Bodenseeflotte ab"

Die SBB wollen ihre Bodenseeflotte an die Stadtwerke Konstanz verkaufen. Doch Maschinist Flavio Cason erhebt Einspruch.

Still sitzt er in Anzug und Krawatte am Tisch und lauscht den Worten, die ein paar Thurgauer Unternehmer im Namen der GCTI (Gruppe Cason und Thurgauer Investoren) an die Medien richten. Flavio Cason fühlt sich in der Runde gut aufgehoben, und sein Blick durch die randlose Brille verrät Zuversicht. Keine Spur von Zweifel und Verunsicherung? "Als ich vor einem Jahr an die Öffentlichkeit trat und als Kleinaktionär mein Vorkaufsrecht an der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft SBS geltend machte, war ich mir nicht bewusst, was ich damit auslösen würde", sagt Cason. Heute ist der 50-jährige Maschinist um ein paar Erfahrungen reicher. Wurde er am Anfang kaum ernst genommen, sorgt er jetzt dafür, dass den SBB eine steife Brise ins Gesicht bläst. Cason und seinem Mitstreiter, dem Romanshorner Unternehmer Rolf Beerli, ist es gelungen, ein paar zahlungskräftige Investoren an Bord zu holen. Darunter auch Edgar Oehler, den Chef der Arbonia-Forster-Gruppe.

SBB unter Druck

Privates Geld, die Bodenseeflotte mitsamt Werft und Immobilien den SBB abzukaufen und damit den längst eingefädelten Verkauf an die Stadtwerke Konstanz zu verhindern, ist in der Schweiz genügend vorhanden. "Was in Basel mit der Privatisierung der Rheinschifffahrt möglich ist, kann doch auch am Bodensee realisiert werden", ist Cason überzeugt. Für den politischen Sprengstoff waren die SBB besorgt. Vor drei Wochen wurden Interna aus den Vertragsverhandlungen bekannt, die zwischen den SBB und Konstanz ausgearbeitet worden waren. Lediglich 2,4 Millionen Franken wollen die Deutschen den SBB für die auf sechs Millionen Franken geschätzte SBS bezahlen. Die profitable und ausbaufähige Werft in Romanshorn ginge in Besitz der Stadtwerke über, am Verkehrsgeschäft, das heißt am Tragen des Defizits, dürften sich Thurgauer Gemeinden und Kanton weiterhin beteiligen.

Umstrittenes Vorkaufsrecht

Manchmal überkamen ihn in den letzten Monaten mulmige Gefühle, und schlaflose Nächte zehrten an den Nerven. Der Büezer mit dem Kinnbart, der seit 18 Jahren bei der SBS arbeitet, ein geschiedener Vater von zwei Kindern, der kein großes Vermögen besitzt, wagt den Hosenlupf mit seinem mächtigen Arbeitergeber und erklärt diesem kurzerhand: "Ich kaufe euch die Bodenseeflotte ab." 24 SBS-Mitarbeiter besitzen je eine vom Arbeitgeber geschenkte Aktie. Dass dereinst einer von ihnen den SBB das Leben so schwer machen würde, hatten die Bundesbahnen nicht bedacht. Diese streiten glattweg ab, dass Cason ein Vorkaufsrecht besitzt, nachdem sie im September an einer Aktionärsversammlung dieses Vorkaufsrecht aus den Statuten gestrichen haben. Die Gerichte werden sich jetzt damit befassen müssen. Heute ist Flavio Cason am Schweizer Bodenseeufer eine bekannte Größe. Fast überall, auf der Strasse, im Restaurant, ja selbst wenn er mit seinen beiden Kindern den Europapark im deutschen Rust besucht, wird er auf den SBS-Deal angesprochen. "Mach weiter so", bekommt er aufmunternde Worte zu hören. Die Schiffe auf dem Bodensee binden Emotionen. Was mit der Überzeugung eines Einzelnen begann, den man zunächst mehr erheiternd als ernsthaft wahrgenommen hat, als einen tapferen Matrosen in Seenot, ist herangewachsen zu einem Bekenntnis vieler. Am Anfang war die große Mehrheit der 60-köpfigen SBS-Belegschaft für eine Schweizer Lösung. "Heute schweigen viele. Ein paar ermuntern mich, hart zu bleiben, während sich andere wie Windfahnen verhalten." Die Verunsicherung ist groß. Keine Freude am unbotmäßigen Maschinisten hat die Geschäftsleitung. "Ich mache weiterhin meine Arbeit so gut wie möglich", sagt der Dealverderber. Sein Ziel ist es, zusammen mit den anderen SBS-Angestellten noch möglichst lange unter Schweizer Flagge auf See zu fahren. "Schließlich gibt es keinen schöneren Arbeitsplatz", sagt Cason.

(Markus Rohner/Schaffhauser Nachrichten v. 26.04.06)

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