Frauenpower auf dem MS Seestern

Carola Schenk wurde als erste Frau in die Bodensee Kapitänsvereinigung aufgenommen. Damit ist sie die einzige unter 108 Männern

Mit einem wachen Blick schaut Carola Schenk von ihrem Steuerhaus über den Bodensee, beobachtet, ob ein anderes Schiff ihre Route kreuzt. Mit der rechten Hand bedient die Blondine den Steuerhebel, mit der linken kontrolliert sie den Hebel für die Geschwindigkeit. Im Radio läuft ein Lied von Amy Winehouse. Neugierige Passagiere schauen durch das Fenster in den kleinen Raum, in dem die Schiffsführerin sitzt. „Eine Frau Kapitänin? Das gab es bisher ja noch nie“, bekommt sie öfter zu hören. Und tatsächlich ist es nicht alltäglich, dass eine Frau Kapitän, wie sie einige Gäste nennen, das Motorschiff (MS) Seestern steuert. Und erst kürzlich wurde Schenk als erste Frau in die Internationale Vereinigung der Bodensee-Kapitäne aufgenommen – und das nach 85 Jahren.

Carola Schenk ist schon immer gern ein bisschen aus der Rolle gefallen. Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin. „Auch dort gehörte ich zu den wenigen Frauen, die sich für diesen Beruf entschieden haben.“ Doch erst als Schiffsführerin hat sie ihren Traumberuf gefunden. „Es ist das erste Mal, dass ich mir vorstellen kann, in einem Beruf alt zu werden.“ Und das, obwohl Carola Schenk in der Sommersaison eine Sechs-Tage-Woche und nur mit zwei Kollegen den Schiffsbetrieb schmeißt. „Da ist jeder für alles an Bord zuständig“, sagt sie. Ob steuern, kassieren, den Gästen beim Einsteigen helfen oder ihre Fahrräder abstellen. Ein Ölwechsel oder ein neuer Anstrich sind für Schenk ebenfalls kein Problem. Auch wenn es an Bord stressig zugeht, findet sie Zeit, an Deck zu gehen und das Wetter zu genießen. Sie schwärmt von den Sonnenaufgängen morgens und den Eiszapfen am Schiff im Winter. Und seit sie bei Wind und Wetter auf dem Schiff arbeitet, ist sie auch kein einziges Mal mehr krank geworden.

Woran es liegt, dass so wenige Frauen das Patent zur Schiffsführerin absolvieren, kann die 33- Jährige nur erahnen. „Vielleicht hängt es mit den Arbeitszeiten zusammen. 13-Stunden-Tage sind in der Hauptsaison der Normalfall.“ „Oder es liegt am Bild des Berufes, das Viele mit einem starken Mann verbinden“, sagt sie. „Doch Muskeln braucht man nicht. Zum Festmachen des Schiffes ist überhaupt nicht viel Kraft erforderlich.“ Und ein schweres hölzernes Ruder gibt es auf dem 27,50 Meter langen Seestern, der bis zu zwölf Mal täglich zwischen Wallhausen und Überlingen pendelt, erst gar nicht. Zum Steuern muss Carola Schenk lediglich einen kleinen Hebel bedienen.

Fest steht, ihre männlichen Kollegen sind froh, dass Carola Schenk da ist. Denn mit ihrem sympathischen und freundlichen Auftreten schaffe sie es auch in heiklen Situationen, die Lage auf dem Schiff wieder unter Kontrolle zu bringen. Und auch Carola Schenk fühlt sich wohl unter ihren männlichen Kollegen. Und wenn sie ehrlich ist, gefällt es ihr dort sogar richtig gut. „Ich arbeite lieber mit Männern zusammen, sie zicken weniger und sind oft ehrlicher.“

Nachdem die gebürtige Hessin im Jahr 2002 nach Radolfzell gezogen ist, hatte sie als Hotelfachfrau und später als Eventmanagerin im Inselhotel in Konstanz gearbeitet. „Durch einen Zufall ergab es sich, dass ich auf dem Seestern kellnern konnte. Und da ist meine Leidenschaft entflammt.“ Die 33-Jährige hat anschließend einen Nebenjob als Kellnerin an Bord angenommen: Danach ging es für sie Schritt für Schritt die Karriereleiter hinauf – bis hin zur Schiffsführerin. Ihr Patent für die Fahrgastbeförderung absolvierte sie 2009. Seit 2010 ist Schenk beim Unternehmen Personenschifffahrt Giess und Giess fest angestellt und steuert den Seestern.

Viel Zeit für ihr Privatleben bleibt Carola Schenk bei ihrem 13-Stunden-Tag nicht. Doch die, die sie hat, verbringt sie am liebsten mit ihrem Freund, der stolz auf sie ist, dass sie in diesem Beruf Fuß fassen konnte. Auch wenn sich die 33-Jährige beruflich in der Männerwelt sehr wohl fühlt, geht sie es privat lieber weiblicher an. „Am liebsten stricke, koche und lese ich. Das ist der Ausgleich, den ich brauche.“

Kapitänsvereinigung

Die Internationale Vereinigung der Bodensee-Kapitäne (IBVK) zählt 109 Kapitäne, darunter Carola Schenk als einzige Frau in der 85-jährigen Vereinsgeschichte. Der Verein erstreckt seine Tätigkeit auf Österreich, Deutschland und die Schweiz.

Neben der Kontaktpflege und dem Erfahrungsaustausch untereinander sieht die Vereinigung ihre Hauptaufgabe darin, anderen Benutzern des Bodensees mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Verein wurde 1927 von elf Kapitänen und drei Steuermännern gegründet. Mit Beginn der 30er Jahre kam das Vereinsleben auf Grund der politischen Verhältnisse ins Stocken. Im Juni 1945 kamen mit den ersten regelmäßigen Kursschifffahrten wieder die ersten Lebenszeichen. Am 5. Mai 1950 schlug die zweite Geburtsstunde des Vereines.

(Susann Klatt-D´Souza/Südkurier v. 07.04.12)

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