Erzählen Sie mal, Frau Kapitän!

Carola Schenk ist Schiffsführerin auf dem MS Seestern zwischen Überlingen und Wallhausen und die erste Frau in der Vereinigung der Bodensee-Kapitäne

Auf einen Kaffee mit…

Carola Schenk, Schiffsführerin auf dem MS Seestern zwischen Überlingen und Wallhausen. Sie erzählt, wie sie von der Hotelfachfrau zur Schiffsführerin wurde.

Frau Schenk, Sie sind als Schiffsführerin jeden Tag auf dem Bodensee zwischen Überlingen und Wallhausen unterwegs. Ein Traumberuf, oder?

Das kann man tatsächlich sagen. Natürlich ist es auch Arbeit und nicht nur Erholung. Und selbstverständlich wird es vor allem im Sommer schon zeitweise stressig. Aber das ist positiver Stress.

Wie meinen Sie das?

Ich habe Hotelfachfrau gelernt und in dem Beruf auch gearbeitet. Daher kenne ich es, wenn es mal drunter und drüber geht. Irgendwann kam ich jedoch an den Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, ich schaffe die Arbeit nicht mehr – da hatte ich zu viel Stress und konnte nicht mehr gut schlafen. Da wusste ich, so geht das nicht mehr weiter. Als sich dann für mich die Alternative anbot, auf dem MS Seestern zu arbeiten, habe ich mich entschieden umzusatteln.

Wie sieht die Lage aktuell aus?

Super! Mir geht es richtig gut. Das beste Beispiel zum Thema Zufriedenheit und Gesundheit ist doch mein Chef Ewald Giess. Er ist 68 Jahre alt, kerngesund und topfit. Und das, obwohl er fast jeden Tag im Sommer und im Winter auf dem Wasser ist. Das ist doch genial – insbesondere in der heutigen Zeit, in der viele Probleme mit Burnout haben oder sogar Frührentner werden.

Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, auf dem See zu arbeiten?

Das war eigentlich mehr Zufall. Vor rund zehn Jahren, als ich noch im Hotelfach beschäftigt war, wurde auf dem MS Seestern für eine Sonderfahrt noch eine Servicemitarbeiterin gesucht. Ich habe mich spontan bereit erklärt mitzufahren und war einfach fasziniert.

Und davon waren Sie so begeistert, dass Sie kurzerhand dort anheuerten?

So schnell ging das natürlich nicht. Auf dieser Sonderfahrt lernte ich einen pensionierten Kapitän der Bodensee-Schiffsbetriebe kennen. Er erzählte mir jede Menge über die Arbeit auf dem Bodensee. Das hörte sich so gut an, dass ich immer mal wieder eine Schifffahrt auf dem MS Seestern genoss.

Und dann?

Dann entwickelte es sich eben, dass ich nach und nach die Seemannsknoten lernte oder wie man das Schiff am Steg vertäut und die Gangway für die Fahrgäste bereitlegt. Erst nachdem ich diese Tätigkeiten beherrschte, durfte ich unter Anleitung des Kapitäns ans Steuer.

War das der Start zur Schiffsführerin?

Mit Sicherheit. Ich habe zwischen 2007 und 2009 unter der Leitung des Juniorchefs Michael Giess das notwendige Praktikum von insgesamt 180 Fahrtentagen absolviert, damit ich die Prüfung zur Schiffsführerin machen durfte, die ich im November 2009 bestand.

Sie waren damals aber immer noch als Hotelfachfrau angestellt, oder?

Das stimmt. Das alles passierte nebenberuflich in meiner Freizeit.

Und wann wechselten Sie dann endgültig den Job?

Das war 2010. Da war ich dann auf dem Bodensee angekommen.

Wie sieht der heutige Alltag aus?

Der ist sehr abwechslungsreich. Wir haben ja den Kursbetrieb zwischen Überlingen und Wallhausen, aber auch immer wieder Sonderfahrten. Wir beginnen jeden Tag um 6 Uhr. Um 6.30 Uhr legen wir dann zum ersten Mal ab. An den Wochenenden beginnen wir etwas später. Die letzte Fahrt endet kurz vor 19 Uhr. Sonderfahrten können natürlich deutlich länger gehen.

Was gefällt Ihnen ganz besonders an Ihrem Job?

Ich liebe es, die Sonnenaufgänge zu sehen. Jeder davon ist einzigartig. Mittlerweile hab ich auch viel mehr über die hiesige Natur gelernt. Früher hätte ich nicht gewusst, wie ein Haubentaucher oder ein Hecht aussieht. Die Eiszapfen am Schiff, wenn es kalt ist, sind wirklich beeindruckend. Aber ich genieße es auch im T-Shirt im Sommer arbeiten zu können. Es gibt so vieles, was ich reizvoll finde.

Seit diesem Jahr sind Sie als erste Frau in der Vereinigung der Bodensee-Kapitäne aufgenommen worden. Macht Sie das stolz?

Ich würde lügen, wenn ich Nein sagen würde. Allerdings ist der Medienrummel um meine Person in den vergangenen Wochen doch etwas kurios. Ich mache schließlich auch nur den gleichen Job, den 108 andere Schiffsführer in unserer Vereinigung auch machen. Ich bin halt nur die einzige Frau.

Und wie fühlen Sie sich als Frau in der Männerwelt?

Die Frage musste ja kommen (lacht). Wenn ich ganz ehrlich bin, dann gefällt mir die doch etwas rauere, direktere Art der Männer recht gut. Man sagt sich, was Sache ist, und dann ist gut.

(Fragen Reiner Jäckle/Südkurier v. 06.07.12)

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