Bodensee: So viel Wasser wie selten im August

Selten war der Wasserstand am Bodensee so hoch wie in diesem August. Zum richtigen Hochwasser fehlen allerdings noch 40 Zentimeter - und auch die Schiffe kommen noch gut unter der alten Konstanzer Rheinbrücke hindurch.

Der Wasserstand des Bodensees von 4,40 Metern am Pegel Konstanz wirkt wie ein Widerspruch zu den Prognosen von Wissenschaftlern. Diese prognostizieren einen im Jahresdurchschnitt kontinuierlich sinkenden Wasserstand. Doch derzeit wird der August-Durchschnittswert der vergangenen 20 Jahre (3,64 Meter) um etwa 80 Zentimeter überschritten. Und dieser Wert dürfte nur langsam sinken, selbst wenn es in den kommenden Tagen rund um den Bodensee nicht mehr regnen sollte.

Wenn sich der Konstanzer Pegel um einen Wert von 4,40 Meter herum bewegt, liegt er damit aber immer noch 40 Zentimeter unter jener Marke, die von den Behörden als Meldewasserstand bezeichnet wird. Deshalb kommen Fahrgastschiffe auch noch gut unter der alten Konstanzer Rheinbrücke hindurch, versichert Rolf Grosse von der Wasserschutzpolizei Konstanz.

„Ausuferungen“ auf größeren Flächen gebe es jedoch erst ab einem Pegelstand von etwa fünf Metern, verfeinert Hendrik Roggendorf, Leiter des Amts für Baurecht und Umwelt am Landratsamt, den Begriff Meldewasserstand.

Wegen seiner großen Fläche reagiere der Bodensee auch auf anhaltend starke Regenfälle lange nicht so stark wie Flüsse. Vorteile anhaltender Regenfälle sieht Roggendorf für kleinere Gewässer mit geringem Frischwasserzufluss. Bei diesen steige dadurch auch der Sauerstoffgehalt.

Für die Bebauung in Uferbereichen gebe es auch nach den umfangreichen Renaturierungen der vergangenen Jahre keine schlechtere Ausgangslage bei einem Hochwasser als früher.

Mit einem richtigen Hochwasser rechnen die Fachleute in absehbarer Zeit jedoch nicht. „Für die Uferlebensgemeinschaften ist der aktuelle Wasserstand nicht schädlich“, sagt Michael Dienst von der Arbeitsgemeinschaft Bodenseeufer (AGBU). Allenfalls sei er ein Zeichen dafür, dass mit dem Klimawandel die Niederschläge weniger gleichmäßig fallen und vielmehr als Starkniederschläge runterkommen. Aber es habe auch schon einmal Anfang Oktober einen Wasserstand von 5,04 Meter gegeben: am 1. Oktober 1927.

Wissenschaftler denken in längeren Zeiträumen als der Laie. Für das Jahrhundert von 1907 bis 2006 hat einer Statistik der Arbeitsgruppe Bodenseeufer zufolge der durchschnittliche Sommerpegel des Bodensees um 46 Zentimeter abgenommen. In einer gemeinsamen Publikation verweisen die Konstanzer Biologen Michael Dienst, Irene Strang und Wolfgang Ostendorp unter anderem auf Auswirkungen eines tendenziell sinkenden Pegels auf die Archäologie. Schützende Sedimente bei Pfahlbausiedlungen erodierten, die alten Bauhölzer und Keramikscherben wären Beschädigungen durch Luftzufuhr und Frost ausgesetzt. Und die nachhaltigen Auswirkungen von sinkendem Wasserspiegel bei steigenden Luft- und Wassertemperaturen auf den Naturhaushalt füllen viele umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten.

Am aktuellen Wasser(zu)stand haben Badegäste ihre helle Freude – sofern die Lufttemperaturen einen Sprung ins kühle Nass nahelegen. Zum einen müssen sie nicht allzu weit in den See waten, bis mit dem Schwimmen begonnen werden kann, zum anderen wickeln sich nicht ständig hoch wachsende Wasserpflanzen um Arme und Beine. Der Rückgang dieser Pflanzen hinge aber nicht mit Wasserstand oder –temperatur zusammen, sondern habe einen anderen Grund, erläutert Michael Dienst: Das Bodenseewasser wird immer sauberer.

(Michael Buchholz/Südkurier v. 19.08.10) 

Nur zweimal höher als vier Meter

Drei Fragen zum Wasserstand des Bodensees

1 Wie war der August-Wasserstand im in den vergangenen 20 Jahren?
Am Pegel Konstanz wurden seit dem Jahr 1990 nur zweimal Wasserstände von mehr als vier Metern gemessen (2000: 4,23 m; 2001: 4,09 m). Der niedrigste Stand lag 2003 bei 2,98 m.Durchschnittlich betrug der Pegelstand in dieser Zeit 3,64 m. Im August nach dem Pfingsthochwasser 1999 mit einem Höchststand von 5,65 m sank der Wasserspiegel auf 3,91 m.

2 Ändert sich der Wasserstand nach einem festen Muster?
Der Bodenseepegel weist von Jahr zu Jahr immer sehr unterschiedliche Ganglinien (Pegelverläufe) auf, erläutert Michael Dienst von der Arbeitsgemeinschaft Bodenseeufer. Der derzeitige hohe Wasserstand sei nicht übermäßig außergewöhnlich. Man könne ihn keiner speziellen Tendenz zuordnen.

3 Wie entwickelt sich das Klima am Bodensee?
Die Biologen Michael Dienst, Irene Strang und Wolfgang Ostendorp berichten von einem Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperatur am Bodensee von über einem Grad Celsius in den letzten 100 Jahren. Tendenz: steigend. Weltweit waren es 0,7 Grad. Seit 1960 sei auch die Wassertemperatur des Bodensees um ein Grad angestiegen. Unter anderem reduziere sich dadurch im komplexen System Bodensee der Sauerstoffgehalt des Wassers. Die Veränderungen hätten sich bereits in Fischsterben gezeigt.

(Südkurier v. 19.08.10)

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