Mit Volldampf voraus, zurück in die Vergangenheit 

Es rattert und zischt, das Holz knistert im kleinen Ofen unter dem Dampfkessel, aus dem Schornstein steigt Rauch auf und es ertönt ein lautes Tut-Tuuut. So verlässt das über 100 Jahre alte Dampfboot Patricia am frühen Morgen den Konstanzer Yachthafen. Das Ziel heute ist Meersburg, und die Patricia ist nicht allein auf dem Wasser: Die Reise tritt sie zusammen mit einem Dutzend anderer Boote an. Zusammen bilden sie zumindest für eine Woche die wohl außergewöhnlichste Flotte auf dem Bodensee. Es ist Dampfboottreffen.

Querbeet schippern die Besitzer mit ihren Liebhaberstücken an diesem Morgen gen Osten, umfahren gemütlich das Konstanzer Hörnle und nehmen schließlich Kurs auf das gegenüberliegende Ufer. Richtige Seemänner sind da zu sehen, mit Schnauzbart, Matrosenmütze und Pfeife im Mundwinkel. In einem der Boote ist sogar eine Gitarre mit an Bord. Fröhlich schlägt ein gemütlich dreinblickender Mann in die Saiten. "Muss i denn, muss i denn zum Städele hinaus" Der Mann trällert, rundum zufriedene Gesichter. Der Himmel ist an diesem Morgen bedeckt, aber was, Dampfschiffer-Herz, willst Du mehr?

Doch die Idylle ist nur das eine. Denn ganz so ruhig und entspannt wie es scheint, ist die Fahrt mit dem Dampfboot für die Besitzer nicht. Während der Überfahrt müssen sie mit allen Sinnen bei ihrer Maschine sein. Da gilt es, den Druck im Kessel zu überwachen. Der Wasserstand darf eine bestimmte Grenze nicht über- und nicht unterschreiten. Und immer wieder muss Holz oder Kohle nachgelegt werden, damit das Feuer nicht ausgeht. Für die einstündige Fahrt von Konstanz nach Meersburg braucht ein Boot mit Pellet-Feuerung acht bis zehn Kilogramm Brennstoff. Und so es ist nicht nur eine Reise in die Technikgeschichte, sondern im Zeitalter von hochgezüchteten Motoryachten und Viertakt-Außenbordern auch die Wiederentdeckung der Langsamkeit.

Gemütlich geht es auch an Bord der Exoten unter den Exoten zu. Denn einige Dampfboote werden auch mit Öl gefeuert und funktionieren deshalb ein wenig anders. Sie benötigen zum Beispiel Strom, ein Gebläse und einen Zerstäuber. "Das funktioniert wie eine Zentralheizung im Haus", erklärt Andreas Ellegast, Leiter des Konstanzer Schifffahrtsamts und Organisator der Dampfbootferien des Deutschen Dampfbootvereins. 

Ellegast selbst heizt seiner Patricia jedoch überwiegend mit Holz kräftig ein. Wenn er viel und länger fahre, dann nehme er schon auch mal Kohle. "Das brennt einfach länger", erläutert er. Aus dem kleinen Türchen am unteren Ende des Kessels entströmt eine angenehme Wärme. Das Wasser im Kessel wird konstant erhitzt. So entsteht der Wasserdampf. "Wie in einem Schnellkochtopf", versucht Ellegast den Ablauf zu veranschaulichen. Der Druck, der dadurch entsteht, geht in zwei Zylinder der Dampfmaschine. Ein Teil des Dampfes wird in eine Kühlschlange außerhalb des Schiffes geleitet und dort vom kalten Seewasser abgekühlt. So entsteht wieder Wasser, das mit Hilfe einer Pumpe in den Wasserbehälter und von dort wieder zurück in den Dampfkessel gepumpt wird. Die Dampfmaschine treibt in seinem Fall eine kleine Schraube am Heck des Bootes an. 

Zwar sei die Technik der Dampfmaschine besonders faszinierend, weil sie so durchschaubar sei, betont Thomas Schmid, selbst Besitzer eines uralten Klassikers aus dem Jahre 1889. Ganz so verlässlich sei sie jedoch nicht. So ist bei Patricia, dem Boot von Andreas Ellegast, am Vorabend noch die Kette gerissen, die die Vakuumpumpe antreibt. Am Morgen verbringt er deshalb erst einmal eine ganze Zeit damit, die Kette wieder zu reparieren. Zum Glück klappt alles ohne Probleme, und das Boot kann wie geplant mit den anderen starten. 

Nur wenige der Boote stammen original aus dem 19. Jahrhundert. Die meisten sind neueren Ursprungs. So wurden Erpel, Pluto oder Münchhausen nach Originalplänen konstruiert und nachgebaut. Zu erkennen ist das jedoch nur für Fachleute. Ein Laie muss raten. Doch egal, ob richtig alt oder liebevoll nachgebaut: Das Gefühl, man befinde sich in ferner Vergangenheit, kommt beim Betrachten fast aller Boote auf. Dunkles Holz und eine dunkelgrüne Ledergarnitur erinnern an ein altenglisches Sofa. Der riesige Kessel glänzt mit seinen blankpolierten Metallbeschlägen. Die Dampfmaschine ist in all ihren Details sichtbar. Wie bei der Dampflok lässt sich die Funktionsweise einfach ablesen: Kein Wunder, dass nicht nur ausgewiesene Technikbegeisterte staunend stehen bleiben, wenn die kleine Flotte in diesen Tagen irgendwo am Bodensee anlegt. 

In ihr ungewöhnliches Hobby investieren die Bootsbesitzer viel Zeit und Geduld. 14 Jahre lang bastelte Thomas Schmid an seiner St. Urs herum, bis sie im Jahr 2006 endlich fahrtüchtig war. Das Hobby sei zwar sehr aufwändig, mache aber unheimlich Spaß: "Es ist schon eine Herausforderung, das Boot zu betreiben", sagt er. Dann rattert und zischt es wieder. Tut-Tuuut, die Dampfschiffer werden bald wieder ablegen. Es geht zurück - nach Konstanz und bis zum Anlegen dort auch in die Vergangenheit.

Tipps für Zuschauer

Freunde historischer Boote können die kleine Dampfboot-Flotte, die derzeit auf dem Bodensee unterwegs ist, zumindest von Land aus bestaunen. 

Am Freitag, 23. Mai, werden die Boote gegen 11 Uhr in Konstanz-Egg und am Samstag, 24. Mai, ebenfalls vormittags in Unteruhldingen erwartet. Die beste Gelegenheit zum Zuschauen bietet sich am Sonntag, 25. Mai, in Bodman. Dann schließt der Dampfbootverein das Mitglieder-Treffen anlässlich des 25-jährigen Vereinsbestehens mit einem Rennen ab. Ab 10.30 Uhr dampfen die Oldtimer mit durchschnittlich zehn Kilometer pro Stunde um die Wette.

(Silke Jungmann/Südkurier v. 23.05.08)

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