Konstanz am Bodensee

Im Dreiländereck ist der Alltag zurückgekehrt. Die Weiße Flotte ist wieder unterwegs - und mit ihr Millionen Passagiere

Es ist ein ruhiger Morgen am Konstanzer Hafen, kurz nach acht. Der Himmel ist blau, es scheint ein herrlicher Tag zu werden. Geradezu perfekt für eine Schifffahrt auf dem Bodensee. Michael Erndwein kennt solche Tage, er hat sie tausendfach erlebt. Seit 21 Jahren arbeitet der Mann aus Allensbach als Schiffsführer für die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB).
Jetzt steht Erndwein auf dem Deck der MS Stuttgart. Der zwölf Meter breite und 57 Meter lange Dampfer ist eines der größten Exemplare der Weißen Flotte, zu der 31 Schiffe gehören. Mit ihnen erkunden jedes Jahr drei bis vier Millionen Besucher den Bodensee.
Seit 1. April sind Erndwein und seine Kollegen wieder unterwegs - natürlich auch in Lindau.

An diesem Tag fährt der 52-Jährige von Konstanz nach Meersburg, dann zur Insel Mainau, ehe er über Unteruhldingen die Orte Dingelsdorf und Überlingen ansteuert. Danach geht es die gleiche Strecke wieder zurück. Das ist Alltag für Erndwein, die Konstanz in seinem Leben, wenn man so will. Wie jeden Tag beginnt die erste Fahrt um 9.30 Uhr. Kurz vor Abfahrt ist noch wenig los. Erndweins Computer zeigt nur 83 Gäste an. Und das auf einem 450-PS-Schiff, das rund 1.000 Passagiere mitnehmen kann. Doch das soll sich im Laufe des Tages ändern.

Der in Karlsruhe geborene Erndwein wird begleitet von Steuermann Tobias Hoffmann, einem hageren Mann aus Konstanz. Für die nächsten Stunden bleiben die beiden im Steuerhaus. im Schiff schauen Matrose Michael Schultz und Decksmann Erkan Umsu nach dem Rechten. Sie sind wie Erndwein bei den BSB angestellt. Vor neun Jahren haben die Stadtwerke in Konstanz sie der Deutschen Bahn abgekauft.

Fahrten mit der Weißen Flotte bieten außerdem die österreichische Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt und zwei Schweizer Unternehmen an, die Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein und die SBS Schifffahrt AG Romanshorn.

Mit letzterer hat es zuletzt Ärger gegeben. Ohne sich wie üblich mit den anderen Anbietern abzustimmen, fuhren die Schweizer die Strecke zwischen Hagnau (Bodenseekreis) und Altnau (Schweizer Kanton Thurgau). Die Folge war: Die Vereinigten Schifffahrtsunternehmen für den Bodensee und Rhein (VSU), denen jeder der vier Betriebe angehört, nahmen die umstrittene Verbindung nicht in den gemeinsamen Fahrplan auf. Doch nun seien die Wogen wieder geglättet, sagt VSU-Chef Konrad Frommer. Die betroffene Route bleibe trotzdem gestrichen. Frommer sagt: "Ab 2013 machen wir wieder einen gemeinsamen Fahrplan." Im vergangenen Jahr haben 3,71 Millionen Fahrgäste zwischen April und Mitte Oktober die Weiße Flotte genutzt, ein Jahr zuvor waren es 3,59 Millionen. In diesem Jahr seien die Zahlen noch bescheiden, so Frommer. Der April war einfach zu kühl.

Erndwein steuert aus dem Konstanzer Hafen heraus. Zwischen der Imperia-Statue und dem alten Leuchtturm hindurch geht es raus ins Weite. Das Sonnendeck des dreistöckigen Schiffes ist voll belegt. Links bleiben das Strandbad Hörnle und die Therme zurück. Eine leichte Briese kommt auf. Fahrgast Jean-Pierre Bergamin drückst seinen Sohn Silvan (2) fest an sich. "Wir fahren zur Mainau", sagt Mutter Sindhya. Der Halteplatz an der Insel wird später derjenige sein, an dem die meisten Passagiere das Schiff verlassen - was wenig überrascht.

Doch zunächst geht es nach Meersburg. An allen Haltestellen werden die Seile an Poller und Pfählen festgebunden; ein Angestellter überwacht. dass die Passagiere unfallfrei das Schiff verlassen oder einsteigen. Gerade an diesen Stellen passiere viel, sagt Erndwein. "Es ist schon häufiger vorgekommen, dass wir jemanden wieder aus dem Wasser holen mussten", sagt er.

13 Uhr - der Schiffsführer zieht Bilanz

Mit diesem Tag ist Schiffsführer Erndwein zufrieden. Am Ende zählt er 1.132 Fahrgäste, die auf der 54 Kilometer langen Strecke zumindest für eine gewisse Zeit an Bord gewesen sind. Um 13 Uhr legt die MS Stuttgart wieder am Konstanzer Hafen an. Es ist trüb geworden, das Wetter hat nicht gehalten, was es am Morgen versprochen hatte. Die Fahrgäste der nächsten Tour warten schon; in einer Viertelstunde geht es wieder in Richtung Meersburg.

(Michael Schwarz/Allgäuer Zeitung v. 04.05.12)

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