Das andere Strandleben als Hafenmeister

Sein Arbeitsplatz ist der Rorschacher Schiffshafen vom Kornhaus bis zum Seepark . Die Anlegeplätze eins bis fünf hat er scharf im Blick . Hafenmeister Urs Grob sitzt in seinem exponierten Holzhäuschen neben den Bahngeleisen – potenzielle Anlaufstelle auch für Touristen . Schon vor der Tür steht: «Schiffsbillette bitte an der Bahnkasse lösen . » Die Info rmation wirkt . Zwar wird er durch die Fenster von Heerscharen Touristen beäugt, aber zum Mann mit dem weissen Hemd, der braun gebrannten Haut und den marineblauen Hosen wagt niemand hineinzuplatzen . Der Hafenmeister versucht seinen Arbeitstag zu bündeln .

Heute 3000 Passagiere

Streng genommen beginnt der Arbeitstag mit dem ersten Kursschiff, das Rorschach ansteuert . Urs Grob blättert in seinem Logbuch und kommentiert: «Ab halb elf kommen Kursschiffe im Viertelstundentakt . » 32 Schiffe werden es an diesem Hochsommertag sein . Um 19 . 30 kommt das letzte Fahrplanmässige an . Rund 3000 Passagiere werden die Hafenstadt bis am Abend erreichen oder verlassen .

Hilfe beim Anlegen

Der Hafenmeister unterbricht und geht ans Mikrofon . Über die Lautsprecher ertönt: «Sehr geehrte Fahrgäste . Auf Platz fünf legt das Schiff <Lindau> an . Es fährt um 10 . 45 Uhr nach Lindau, anschliessend über Bad Schachen, Wasserburg zurück nach Rorschach . Reisende nach Bregenz müssen in Lindau umsteigen . » Die Durchsage spricht er Dutzende Male am Tag . Sie sitzt perfekt .

Urs Grob hat einen genauen Plan, wo die Schiffe anlegen müssen . Die Kapitäne kennen ihren Landeplatz . Anders als ein Fluglotse gibt es zwischen Hafenmeister und Kapitän keinen Funkkontakt . Einzig wenn bei einem Sturm der äusserste Anlegeplatz nicht gebraucht werden kann, schaltet sich der Hafenmeister über eine Konstanzer Telefonnummer in den Bündelfunk ein, mit welchem die Kursschiff-Kapitäne untereinander kommunizieren . So kann er dem Kapitän die Lageänderung direkt mitteilen . Steuert ein Schiff in den Hafen, steht Grob bereit, um der Mannschaft bei der Landung mitzuhelfen, nimmt die Seile entgegen und schiebt die Treppe vom Land aufs Schiff . Dazwischen bringt er die Info -Tafeln an den Anlegestellen auf den aktuellsten Stand .

Zwei Hafenmeister-Generationen hat der heute 63-jährige Urs Grob gekannt . Mit einem seiner Vorgänger hat er noch zusammengearbeitet . In Rorschach aufgewachsen ist er Hafenstädter geblieben . Die Liebe zum See wurde sein Geschäft . Früher betrieb er auch einen Bootsverleih . Den gab er an seinen Sohn weiter; heute ist er hauptberuflich Hafenmeister – sein Traumjob . Selber auf den See ziehts ihn nicht . Lieber fährt er über sicheres Land ans gegenüberliegende Bodenseeufer .

Von Mai bis September

Die Hafenmeister-Saison beginnt im Mai und dauert bis September . Was macht Urs Grob danach? «Während der Wintermonate arbeite ich nicht mehr . » Stattdessen schwingt er sich auf sein Rennrad und fährt am Rhein entlang oder entflieht dem Nebel auf Wanderungen im Alpstein . Nur einzelne Sonderfahrten wie das Fondue-, Raclette- oder Silvesterschiff fertigt er noch ab .

Nach der Arbeit ist bei Urs Grob vor der Arbeit . Gerne setzt er sich im Sommer auf die Terrasse seiner Wohnung und blickt mit dem Fernrohr auf den See hinaus . Und wenn vor Mitternacht noch ein Sonderschiff in den Hafen einläuft, ist er in zwei Minuten zur Stelle .

(Philippe Reichen/St. Galler Tagblatt v. 24.07.06)

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