1500 Boote schlagen Brücke über den See

Der See wird am 20 . Mai ein wahres Mega-Ereignis erleben: 1500 Boote und Schiffe sollen eine Brücke zwischen Friedrichshafen und Romanshorn bilden . Der Verein "Schweizer Kinder" will damit feiern, dass vor 60 Jahren arme Kinder aus Vorarlberg und Deutschland in die Schweiz eingeladen worden sind .

Die Idee der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins "Schweizer Kinder", Hildegard Nagler, stößt auf fast uneingeschränkte Begeisterung . Die Behörden sind ebenso mit an Bord wie die Motor- und Segelsportverbände . Aufgerufen ist aber auch jeder private Bootsbesitzer rund um den See, sich zu beteiligen . Der Plan sieht vor, dass große Schiffe der "Weißen Flotte" die Eckpfeiler auf der elf Kilometer langen Strecke von "Glockenschlag zu Glockenschlag", so Heinz Unglert, Leiter der Wasserschutzpolizeistation Friedrichshafen, bilden . Und dazwischen immer wieder Boote, Boote, Boote - mit dem entsprechenden Sicherheitsabstand . Geht man von einer Schiffsgröße von durchschnittlich acht Metern aus, rechnen die Verantwortlichen mit etwa 1500 benötigten Schiffen, wobei die Brücke auch (abschnittsweise) doppelreihig verlaufen kann, sollte die Resonanz entsprechend nachhaltig sein . Steht die Brücke, wird dies mit einem Signalton in Romanshorn verkündet .

Hohe Wellen wären Gift

Die große Unbekannte ist das Wetter . Hoher Wellengang wäre Gift für das Vorhaben, das aber auch dann nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben wäre . Die Schiffskette soll mittags um 13 . 30 Uhr stehen, damit sie pünktlich vom Zeppelin NT, vom Flugboot Do 24 oder der Tante Ju überflogen werden kann . Gelingt es, sie aus dem Fahrplan herauszulösen, sollte in der Brückenmitte die Motorfähre "Thurgau" stehen, auf der die Kinder damals in die Schweiz und zurück fahren durften . Flankiert werden sollte die Fähre von einem alten Fahrgastschiff . Bunte Hafenfeste in Friedrichshafen und Romanshorn sollen die Aktion begleiten .

Begeistert von der Brücken-Idee ist auch der Chef des Wasser- und Schifffahrtsamts beim Landratsamt Bodenseekreis, Ludwig Gebhard . "Das könnte was werden", sagte er uns gestern (tatsächlich viel optimistischer) und signalisierte behördlicherseits grünes Licht . Als "weltweit einmalig" bezeichnete er die Aktion, zu der sich alle aufgerufen fühlen sollten, vom Kanufahrer, Segler und Ruderer bis zum Tretbootlenker, allerdings auf eigenes Risiko . Der Verein "Schweizer Kinder" kann - selbstverständlich - keine Haftung übernehmen . Auch die Schweizer und Österreicher machen mit, erst recht vor dem geschichtlichen Hintergrund . Gebhard sieht in dem gemeinsamen Event am Bodensee sogar eine Möglichkeit, den eskalierenden Luftstreit mit den Eidgenossen auf dem Wasser zu kompensieren .

BSB zieren sich (noch)

Ein absoluter Fan des Vorhabens ist auch Heinz Unglert von der Wasserschutzpolizei . Er hat bereits konkrete Vorstellungen, die er heute bei einem Treffen der Bootsverbände vorstellen will . Die Strecke wird so aufgeteilt, dass die markanten Schiffe ("25 teilnehmende große Schiffe wären toll") vor allem in der Mitte positioniert werden und die kleinen Boote nicht ganz raus müssen . "Wir brauchen aber alle", ruft Unglert auch die privaten Bootsbesitzer auf, am 20 . Mai die Anker zu lichten . Ob Ruderclub, Sportschiffer oder Segelschulen - alle sind eingeladen, erst recht die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB), die sich noch etwas zieren und auf betriebliche Zwänge (Einhaltung der Fahrpläne) verweisen, wozu ihre Schiffe gebraucht würden . Doch die Ideengeber hoffen, auch die BSB noch mitreißen zu können .

Für Heinz Unglert (E-Mail-Adresse: bodensee-bruecke@web . de), der zusammen mit Ludwig Gebhard und Reinhard E . Kloser, dem Senior-Kapitän der "Hohentwiel" die Organisation übernommen hat, beginnt die eigentliche Arbeit in der nächsten Woche . Wichtig ist, bald die Teilnahmezahlen von den Clubs und Verbänden zu bekommen . Nachdem Unglert Letztere heute in Kressbronn getroffen hat, wird man schon mehr wissen . Der Chef des württembergischen Abschnitts der Wasserschutzpolizei geht davon aus, dass sogar ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde möglich ist .

Brücke für Kinder in Not

Für die Ideengeberin, die SZ-Redakteurin Hilde Nagler, und ihren Verein unter dem Vorsitz von Siegfried Rehm ist der Hintergrund, dass Schweizer vor 60 Jahren mangelernährte und kranke Kinder aus meist großen Familien Nachkriegsdeutschlands und Vorarlbergs eingeladen, sie verwöhnt und aufgepäppelt haben . Oft waren das Kinder, deren Väter nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren . Noch heute sagen viele "Schweizer Kinder", die Zeit in der Schweiz sei die schönste ihres Lebens gewesen . 60 Jahre danach soll die Brücken-Aktion "Danke" sagen und die Idee der Schweizer, Kindern in Not zu helfen, weitertragen . Das Motto des Vereins "Schweizer Kinder" lautet: "Eine Brücke für Kinder in Not" . In den vergangenen Jahren haben die Aktiven des Vereins und viele Spender zahlreichen Not leidenden Kindern im In- und Ausland geholfen .

Die am 20 . Mai geplante Schiffsbrücke soll an die Großzügigkeit der Schweizer vor 60 Jahren erinnern, aber auch daran, dass noch heute unzählige Kinder in Not leben und Hilfe brauchen . Die SZ wird das Projekt ausführlich begleiten .

(Schwäbische Zeitung v. 10.03.07)

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