Tüftler entwickeln neue Schiffssteuerung

Prototyp aus Hergensweiler ist bereits auf dem Bodensee unterwegs

„Tüftler aus dem Allgäu-Bodenseeraum haben ein Produkt entwickelt, das weltweit zum Einsatz kommen kann.“ Bewunderung spricht aus diesen Worten, die der Landtagsabgeordnete Eberhard Rotter für die Firma Industrie-Service Schmid Elektrotechnik GmbH (ISS) mit Sitz in Hergensweiler findet. „Maritime Wirtschaft aus Hergensweiler klingt im ersten Moment gewöhnungsbedürftig“, sagt Rotter augenzwinkernd. Umso mehr freut es ihn, was Günter Schmid und sein Team in Zusammenarbeit mit der Firma Omron in den vergangenen zwei Jahren zustande gebracht haben.

Sie haben eine neue Generation von Schiffssteuerungen entwickelt und lösen damit ihr eigenes (elektro-mechanisches) System ab. Seit fünf Monaten ist der Prototyp täglich auf dem Bodensee im Einsatz – befördert zuverlässig Fahrgäste zwischen Konstanz und Meersburg. Die Stadtwerke Konstanz haben das Fährschiff „Konstanz“ mit dem Produkt aus Hergensweiler ausrüsten lassen, das Motor und Propeller steuert.

Mit der neuen Generation hat die Computertechnik Einzug gehalten und das birgt eine Menge Vorteile: Aus der Ferne sind Wartung und Fehlerbehebung über das Internet möglich. „Natürlich nur, wenn das Schiff am Haken hängt und nicht fährt“, erklärt Firmeninhaber Günter Schmid. Das senkt die Kosten für Service-Techniker.

Weil es sich um ein sogenanntes Duales-System handelt, gibt es mit der neuen Steuerung keine Haupt- und Notsteuerung mehr. Es kommen zwei voll funktionsfähige und unabhängig von einander arbeitende Steuerungen zum Einsatz. Beide Systeme wechseln sich permanent ab. Sollte eine Steuerung ausfallen, wird automatisch auf die andere umgeschaltet.

Ebenfalls integriert ist ein Fahrtenschreiber, der im Falle eines Unfalls ein Protokoll aller relevanten Daten liefert. So kann nachgeprüft und nachgewiesen werden, ob der Mensch falsch gehandelt oder die Maschine ein Problem hatte. Die Montage des Systems wird dadurch erleichtert, dass die einzelnen Komponenten auf dem Schiff mit einem einfachen Netzwerkkabel verbunden sind und nicht mehr ganze Kabelstränge verlegt werden müssen.

Schmid hofft auf Folgeaufträge

Günter Schmid hofft nun natürlich, dass er mit der Entwicklung seiner Firma „auf den Markt findet“. Die Kosten für die zweijährige Entwicklungszeit zahlen sich schließlich erst aus, wenn Folgeaufträge eintreffen. „Es ist Mut und Risikobereitschaft nötig, um zwei Jahre an der Entwicklung eines Produkts zu arbeiten, dies zu finanzieren und zur Marktreife zu bringen“, lobt Markus Anselment, Geschäftsführer der IKH-Regionalgeschäftsstelle Lindau-Bodensee. Dabei gelte besonders zu würdigen, dass es sich bei der Firma ISS um einen Kleinbetrieb mit nur zehn Mitarbeitern handle.

Im Augenblick schaut es laut Firmeninhaber Schmid gut aus: Schiffsbetreiber vom Zürichsee haben Interesse bekundet, und nach und nach müssen auch die Steuerungen der anderen Bodenseeschiffe ausgetauscht werden. Selbst sieht er noch größeres Potenzial, schließlich kann die Steuerung aus seinem Haus auch bei Arbeitsplattformen, Schleppern und Spezialschiffen zum Einsatz kommen. Beispielswiese könne die Wellenbewegung des Meeres durch den Propeller ausgeglichen werden – gesteuert über das Produkt „Made in Hergensweiler“.

Außerdem ermöglicht die neue Generation der Schiffssteuerung eine metergenaue Positionierung mit Hilfe von Satellitensignalen. So werden Tonnen- und Kabelleger, die punktgenau fahren müssen, mittels GPS gesteuert. Die Steuerung empfängt Signale und hält das Schiff auf 100 Meter genau auf Kurs.

Seit über 30 Jahren hat ISS im Bereich von Schiffsteuerungen Erfahrungen. In den letzten Jahren hat die Firma ihre Steuerungssysteme unter anderem nach Frankreich, Schottland und Italien geliefert und trat dabei als Zulieferer für das Maschinenbauunternehmen Voith auf, das die Antriebssysteme baut und weltweit vermarktet. „Die Entwicklung der neuen Steuerung war nur durch die enge Zusammenarbeit mit der Firma Omron möglich“, hebt Schmid hervor. „Sie stellte uns einen Mitarbeiter über ein Jahr lang zur Verfügung.“ Markus Anselment, der sich gemeinsam mit Eberhard Rotter bei der Firma ISS über das neue Produkt informierte, lobt: „Das Miteinander von großen und kleinen Firmen macht unseren Erfolg aus.“

(Sandra Philipp/Lindauer Zeitung v. 05.07.12)

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