"Überlingen" verschwindet vom See

110-jährige Tradition wird nicht fortgesetzt - SÜDKURIER will mit seinen Lesern an BSB appellieren

Adieu! Die "Überlingen" läuft am 10. Dezember zu ihrer letzten Fahrt aus. Damit endet eine 110-jährige Ära: Nach der Ausmusterung des unwirtschaftlich gewordenen Motorschiffs wird erstmals seit 1895 kein Fahrgastschiff mehr den Namen der Stadt Überlingen über die Wellen des Bodensees tragen. Denn bislang bestehen keine konkreten Pläne, ein anderes oder neues Schiff der "Weißen Flotte" nach der Fremdenverkehrs-Stadt zu benennen.

Der Salondampfer "Stadt Ueberlingen" war 1895 vom Stapel gelaufen, an insgesamt vier großen Bodenseeschiffen prangte seither der Name der ehemals freien Reichsstadt, die schon im 19. Jahrhundert vom Tourismus geprägt war. Nun wird das 1935 gebaute Motorschiff "MS Überlingen" ausgemustert. Am Samstag, 10. Dezember, macht es zum allerletzten Mal am Überlinger Landungsplatz fest.

"Das ist schon ein trauriger Anlass", gibt Silke Rockenstein, Pressesprecherin der Konstanzer Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) zu. Deshalb wollten die BSB auch entsprechend "Gelegenheit geben, Abschied zu nehmen". Die "Überlingen" wird ganztags nach Konstanz pendeln, an Bord soll die "Überlinger Dampfkapelle" spielen, der Shantychor habe Interesse bekundet und die BSB ihrerseits habe bei Kur- und Touristik-Geschäftsführer Thomas Götz sowie dem WVÜ angefragt, ob sie von sich aus Aktionen planen wollen.

Das Aus ist definitiv. "Die MS Überlingen fährt bei uns nächsten Jahr nicht mehr", sagt Rockenstein. Was mit ihr passiert, ist offen: "Wer will, kann sie kaufen." Die Entscheidung zur Stilllegung fiel diesen Sommer im Zusammenhang mit einem neuen "Flottenkonzept": Die BSB will ihre zwölf Schiffe aus wirtschaftlichen Gründen schrittweise erneuern. Und die Zulassung der "MS Überlingen" läuft dieses Jahr aus, eine Renovierung käme nicht zuletzt wegen neuer strengerer gesetzlicher Vorschriften viel zu teuer. Die Revision der 1937 gebauten "Karlsruhe" kostete die BSB in den vergangenen zwei Jahren rund 2,5 Millionen Euro. Eine Modernisierung der Überlingen schlüge laut Rockenstein weit höher zu Buche und käme damit in die Größenordnung der Neubeschaffung eines dauerhaft wirtschaftlicheren Schiffes: Das derzeit bei der "Bodanwerft" in Kressbronn entstehende moderne Motorschiff ist mit unter 5 Millionen Euro veranschlagt. Es soll zwar ab Juli 2006 jene Lücke in der Weißen Flotte schließen, die von der irreparabel havarierten "MS Lindau" gerissen wurde, deshalb muss es aber nicht zwingend nach dem bayerischen Hafen heißen, der erst seit 1964 Namensgeber ist. Rockenstein: "Welchen Namen der Neubau trägt, wird bei der Taufe bekannt." Bislang sei nichts entschieden. Und wie sieht es mit der Tradition des Schiffsnamens "Überlingen" aus? "Dazu können wir noch nichts sagen", erklärt Rockenstein weiter, "aber spätestens seit dem Katamaran ist ja klar, welche große Rolle Namen spielen." So verspricht sie - vage: "Wir machen uns Gedanken."

Bei der Außerdienststellung der ersten drei "Überlingen" 1928, 1963 und 1969 wollten Reichs- und Bundesbahn die Kontinuität fortführen, bei den heute zu den Stadtwerken Konstanz gehörenden BSB indes gibt es noch keine konkreten Überlegungen. Deshalb will der Überlinger SÜDKURIER die BSB mit Hilfe seiner Leser bitten, dass "Überlingen" nicht vom Bodensee verschwindet und ein Schiff schnellstmöglich entsprechend getauft wird.

(Martin Baur/Südkurier v. 09.11.05)

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