Die «Hohentwiel» gehört dem Volk

Das Dampfschiff wird auch nach der Neuorganisation der Bodensee-Schifffahrt selbständig betrieben durch den Verein

Für die Jahresversammlung der Schweizer Sektion des Vereins Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum legt der Raddampfer «Hohentwiel» traditionsgemäß im Hafen Rorschach an.

Von den Turbulenzen um den Verkauf der Schweizer Bodensee-Flotte war die «Hohentwiel» nicht betroffen. Sie könnte gar nicht auf diese Art zum Kauf angeboten werden. Denn das Schiff gehört dem Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum, ein internationaler Verein mit allein 1000 Schweizer Mitgliedern. Damit gehört der Raddampfer dem Volk rund um den See.

Für Fahrten des königlichen Hofs

Wie kam der Verein in den Besitz des Schiffes? Ein Rückblick: Die «Hohentwiel» wird 1913 für die königlich-württembergische Staatseisenbahn gebaut und elegant ausgestattet, weil sie auch für Fahrten des königlichen Hofs auf dem Bodensee vorgesehen ist. Ein Jahr später bricht der Erste Weltkrieg aus, 1918 dankt der württembergische König ab und die württembergische Eisenbahn mit der Bodensee-Schifffahrt wird Teil der Deutschen Reichsbahn. 1934 wird der Salondampfer zu einem Ausflugsschiff umgebaut. Im zweiten Weltkrieg entgeht es den Bombenangriffen auf Friedrichshafen, und als die Nazis 1945 alle in Lindau liegenden Schiffe zu versenken planen, befindet es sich im Konstanzer Hafen.

Verkauf an initiative Leute

Nach Kriegsende fährt die «Hohentwiel» unter der Flagge der Deutschen Bundesbahn. Sie ist eines der schnellsten Schiffe auf dem See. Ende der 50er-Jahre beginnt das große Dampfersterben; als eines der letzten Schiffe wird die «Hohentwiel» 1962 stillgelegt und für 10 000 DM dem Segelclub Bregenz als Clubheim und Restaurant verkauft.

1983 liegt das Schiff heruntergewirtschaftet und in einem «erbärmlichen Zustand» im Bregenzer Segelhafen. Man spricht von Verschrotten, als initiative Leute, darunter der Rorschacher Architekt Ferdinand Bereuter, den Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum mit Sitz in Vorarlberg und Sektionen in der Schweiz und Deutschland gründen. Der Verein will den Dampfer kaufen und wieder betriebsfähig machen. Die internationale Bodenseekonferenz übernimmt 50 Prozent der Kosten. Die anderen 2,1 Mio. Franken erbringen die Mitglieder des Vereins und Sponsoren. Die Gemeinde Hard bietet einen Liegeplatz.

1986 beginnt die Restaurierung, alle Aufbauten werden abgebrochen, bis nur noch die Schiffsschale übrig bleibt. In der Österreichischen Schiffswerft in Fussach werden Stahlplatten ersetzt, die Dampfmaschine zerlegt und neue Schaufelräder aufgezogen. Die Restaurierung nach Originalplänen dauert bis 1990. Sogar die 1941 als Kriegsmaterial eingeschmolzenen bronzenen Radkastenwappen werden wieder neu gegossen. 1989 läuft die jetzt mit Dieselöl statt mit Kohle angetriebene Dampfmaschine erstmals wieder, die erste Probefahrt folgt am 7. Februar 1990. 77 Jahre seit das Schiff zum ersten Mal im Wasser lag, hat der Bodensee wieder einen Raddampfer.

Heimathafen Rorschach?

Jedes Jahr legt die «Hohentwiel» in Rorschach für die Jahresversammlungsfahrt der Schweizer Sektion des Vereins an. Beinahe wäre das Schiff jeden Tag hier zu bewundern gewesen. Ferdinand Bereuter engagierte sich 1990 zusammen mit dem damaligen Stadtammann und heutigen Präsidenten der Schweizer Sektion, Marcel Fischer, Rorschach als neuen Heimathafen zu gewinnen. Die Länge des Schiffes und der enge Hafen setzten Grenzen, zudem wehrten sich die Harder für «ihr» Schiff. So fährt es heute unter österreichischer Flagge von Hard aus, ist konzessioniert für Fahrten als Passagierschiff (ohne Kursfahrten) und darf überall anlegen. Die Sicherheit wird regelmäßig überprüft; der Germanische Lloyd hat das Schiff soeben wieder bis 2010 zertifiziert.

Der Betrieb des Raddampfers – schuldenfrei, weil er aus öffentlichen Geldern und privaten Spenden finanziert ist – wirft jährlich einen Gewinn ab. Mit diesem werden Reserven für laufende Instandstellungsarbeiten gebildet. Der Vereinsvorstand arbeitet ehrenamtlich. Für den Betrieb ist das Schiff an ein Gastronomie-Unternehmen verpachtet, das eine Fülle von Fahrten anbietet. Für Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Betriebsausflüge oder Vereinsjubiläen lässt sich das Schiff chartern.

Publikumsfahrten: Rundfahrt: 1. Aug., Rorschach ab 11.55 und 14.50 Uhr; Dixieland-Jazz on Board: 1. Aug., Arbon ab 19 Uhr. Vorverkauf: Tourist Information Rorschach

Neue Mitglieder gesucht

Die «Hohentwiel» will eigenständig bleiben. Sie muss daher weiterhin im Volk verankert sein. Dazu ist eine Verjüngung des Vereins nötig, weil ständig Mitglieder aus der Gründerzeit altershalber ausscheiden. Der Verein ermuntert Leute rund um den See, ihm beizutreten, um die «Hohentwiel» – sie soll der schönste historische Schaufelraddampfer des Kontinents sein – zu erhalten. Adresse: Hadwigstrasse 4, Rorschach.

(Otmar Elsener/St. Galler Tagblatt v. 19.06.07)

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