Jubiläum der Hohentwiel: Eine alte Dame wird 100

Auf dem Bodensee ist sie einzigartig und der ganze Stolz des Vereins Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum. Die Rede ist von der Hohentwiel, dem letzten Schaufelraddampfer auf dem schwäbischen Meer. Zum 100. Geburtstag in diesem Jahr ist nun ein Buch über die „alte Dame“ erschienen, wie die Hohentwiel von der Autorin Hildegard Nagler bezeichnet wird.

Die Journalistin ist schon lange Liebhaberin des Schiffs und berichtet seit vielen Jahren für die Schwäbische Zeitung aus der Bodenseeregion. Für ihr Werk recherchierte sie unter anderem in den Akten des Vereins. Aber auch im Stadtmuseum Zürich, in dem sich die Original-Kalkulationsbücher der Werft von Escher Wyss & Cie. befinden. Aber auch im Nachlass der Gestalter wurde sie fündig.

Auf 128 Seiten berichtet Nagler über ein überaus bewegtes Dampfer-Leben: Erbaut wurde sie einst als Luxusschiff im Auftrag des württembergischen Königshauses. Aber auch für NS-Einsätze war die Hohentwiel auf See. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente sie als Wohnschiff für die französische Besatzung. Denn während ihr Schwesterschiff Friedrichshafen wie auch die Württemberg bei Fliegerangriffen zerstört wurden, überstand die Hohentwiel den Zweiten Weltkrieg unbeschadet.

Nachdem 1962 die Dampfmaschine ihren Geist aufgegeben hatte, rettete der Bregenzer Segelclub den Dampfer vor der Verschrottung. Als Clubhaus verbrachte sie ab 1963 anschließend über 20 Jahre im Bregenzer Hafen, bis der gastronomische Betrieb aus Sicherheits- und Hygienegründen eingestellt werden musste. Daraufhin scheiterten mehrere Versuche, das Schiff restaurieren zu lassen. 1984 gründete die Initiative der Konferenz der Regierungs- und Ressortchefs der Bodensee-Anrainerländer (IBK) dann den Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum. Den kostete die Restaurierung rund 2,4 Millionen Euro – 1913 war der Dampfer für 340 000 Mark gebaut worden.

Warum die Mitglieder des Vereins sowie viele weitere Helfer all ihr Herzblut in das waghalsige und kostenaufwendige Projekt gesteckt haben, erfährt man ebenfalls in Naglers Buch. In kurzen Porträts stellt sie einen Teil der 186 Firmen und Persönlichkeiten vor. So erfährt man unter anderem, wie der Vereinspräsident Klaus Henninger Paul Dornier durch einen Sitzstreik vor dessen Büro eine sechsstellige Summe für die Rettung abschwatzt und warum der Schiffsingenieur und Kapitän Reinhard E. Kloser an den Erfolg des Projekts glaubte. Außerdem erzählt Herzog Friedrich von Württemberg, wo sich sein Lieblingsplatz auf der Hohentwiel befindet. Seine Familie hatte den Dampfer einst erbauen lassen und beteiligte sich ebenfalls finanziell an der Restaurierung.

Neben Skizzen, Zeichnungen und schönen Bildern des Schiffes baut Nagler immer wieder Hohentwiel-Geschichten ein – Anekdoten über die Menschen auf dem Schiff. Sie erzählt beispielsweise wie eine Eifersuchtsszene um eine Dame in einer Schlägerei endete. Oder wie 1913 Graf Ferdinand von Zeppelin seinen 75. Geburtstag mit einem bodenständigen Menü auf der Hohentwiel feierte: nach einer Maultaschensuppe als Vorspeise gab es einen Schwäbischen Zwiebelrostbraten mit Spätzle und Kartoffelkroketten.

Hildegard Nagler , Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum (Hrsg.): Faszination Hohentwiel. Die ersten 100 Jahre eines einzigartigen Dampfers. 128 Seiten. Gessler Verlag. 29,80 Euro.

(Katja Schuler/Schwäbische Zeitung v. 07.07.13)

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