Die "Hohentwiel" überlebte Kriege und Schneidbrenner

100 Jahre "Hohentwiel": Das Zeppelin-Museum spürt zum Jubiläum der Geschichte des Dampfschiffs nach.

Als das Dampfschiff Hohentwiel am 13. Januar 1913 in Friedrichshafen vom Stapel lief, war sie nicht das einzige, aber schon damals das schönste Dampfschiff auf dem Bodensee. Bis zu 35 Dampfschiffe pusteten damals täglich die schwarzen Rauchwolken vieler Tonnen verheizter Kohle in die Luft. Heute steht die Hohentwiel im Ruf, das schönste Dampfschiff Europas zu sein – es nimmt Touristen mit an Bord und auf eine faszinierende See- und Zeitreise. König Wilhelm II. war einst so angetan, dass er den Salondampfer zum offiziellen Nachfolger des Königsschiffes „Königin Charlotte“ ausrief. Fortan empfing der letzte König von Württemberg Staatsgäste auf dem Schiff. Doch auch die nicht gekrönten Häupter waren begeistert und so feierte beispielsweise Graf Ferdinand von Zeppelin vor 100 Jahren seinen 75. Geburtstag auf der Hohentwiel – zusammen mit einem großen Teil seiner Belegschaft.

Ein Foto von dieser Geburtstagsfahrt eröffnet die Jubiläumsausstellung, die seit Donnerstag im Friedrichshafener Zeppelin-Museum zu sehen ist und die der bewegten Geschichte dieses Bodenseedampfschiffs nachspürt.

48 Jahre hatte die Hohentwiel in Friedrichshafen gedient, dann sollte sie verschrottet werden. Sie lag quasi schon auf dem Schneidbrett und ihr Nachfolger, das Motorschiff München, stand bereits in den Startlöchern, als eine Explosion in der Kressbronner Werft verhinderte, dass die München rechtzeitig den Dienst aufnehmen konnte.

Die Hohentwiel überlebte als einziges Schiff die Bombardierung Friedrichshafens 1944, weil sie in Konstanz am Auslaufen gehindert wurde. Die nächste Rettung erlebte die Hohentwiel, als ein Segelklub aus Bregenz das Schiff nach der endgültigen Ausmusterung einem Schrotthändler vor der Nase wegkaufte. Die Segler durften an Land kein Vereinsheim bauen, und so schleppten sie den rostigen Kahn kurzerhand ab und vertäuten ihn als Clubheim im Bregenzer Hafen. Doch 1984 war das einst so stolze Dampfschiff auch dafür nicht mehr zu gebrauchen; es war zum Wrack verkommen. Es fanden sich jedoch ein paar Optimisten, die einen Verein gründeten, der sich die Restaurierung der Hohentwiel zum Ziel setzte. Die Hohentwiel sollte als Museumsschiff von Hafen zu Hafen gezogen werden, damit Besucher sie bestaunen könnten – so der Plan. Doch es fand sich keiner, der bereit gewesen wäre, der Rostwanne einen Liegeplatz zu geben. Keiner, bis auf den Bürgermeister von Hard. Mehr noch: Dieser war sogar bereit, mit dem Verein zusammen eine Schifffahrtsgesellschaft zu gründen, um das Schiff wieder für den Bodensee zulassen zu können – es war das einzige Schlupfloch.

„Wenn es ein Schiff gibt, das einen guten Geist hat, dann ist es dieses Schiff, die Hohentwiel“, da ist Kapitän Adolf Franz Konstatzky ganz sicher.  Er führt das Schiff seit seiner zweiten Jungfernfahrt 1990 und hat auf dem Bodensee, in Kilometern gemessen, bereits sechs Mal die Erde umrundet und 600 000 Fahrgäste an Bord begrüßt. Insgesamt hat die Hohentwiel rund zwei Millionen Kilometer auf dem Buckel. Dennoch ist sie das sicherste, weil am höchsten klassifizierte Schiff auf dem Bodensee. „Auf diesem Schiff Dienst tun zu dürfen, ist eine spannende und aufregende Geschichte, es hat ein unglaubliches Flair“, schwärmt Kapitän Konstatzky und sein Glück wäre vollkommen, wenn die 1962 in Konstanz bei der Ausmusterung verschwundene Schiffsglocke eines Tages wieder auftauchen würde. Er ist sicher: Es gibt sie noch!

Ansonsten hat Kuratorin Nina Nustede für die Ausstellung so ziemlich alles zusammengetragen, was sich nicht auf dem Schiff befindet. Viel ist es nicht, aber die kürzlich aufgetauchte deutsche Flagge gehört dazu. Ansonsten erzählen Bilder und Texte die wechselvolle Geschichte des Dampfschiffs und als Prunkstück zeigt die Ausstellung das detailgetreue 1:32 Modell der Hohentwiel, an dem Wolfgang Ellinghaus aus Gerlingen seit mehr als 20 Jahren baut. Auch den Verein gibt es noch: Er hat mittlerweile 2500 Mitglieder und der Vorsitzende ist der Landrat des Bodenseekreises, Lothar Wölfle. „Frau Nustede hat nachgegraben und es sind eine Menge Details zum Vorschein gekommen, die man vorher nicht hatte“, so Museumsdirektorin Ursula Zeller. Wer weiß schon, dass die Hohentwiel für den Kostümfilm „Eine dunkle Begierde“ noch mal dunkle Wölkchen in den Himmel überm Bodensee spuckte, und das, obwohl der Dampf, dank Ölheizung, längst unsichtbar ist?

Es lohnt sich also, die Jubiläumsausstellung „100 Jahre Dampfschiff Hohentwiel“ zu besuchen. Sie ist noch bis zum 4. August im „Grenzraum“ des Zeppelin-Museums zu sehen. Und die Hohentwiel, da ist Kapitän Konstatzky zuversichtlich, wird weitere 100 Jahre als letztes und einziges Dampfschiff auf dem Bodensee zu sehen sein.

(Andrea Fritz/Südkurier v. 22.06.13)

 

Mit Dampf entschleunigen

Das Zeppelin Museum widmet der Hohentwiel zum 100. Geburtstag eine Sonderausstellung

Vor wenigen Wochen hat das Dampfschiff „Hohentwiel“ seinen 100. Geburtstag gefeiert. Ein biblisches Alter, das man der alten Dame nicht ansieht. Und ein willkommener Anlass für das Zeppelin Museum, der Jubilarin im Grenzraum mit der Ausstellung „100 Jahre Dampfschiff Hohentwiel“ seine Aufwartung zu machen.

Schließlich hatte das „Königsschiff“ der Königlich-Württembergischen Staatsbahnen einst hier seinen Heimathafen, und am 8. Juli 1913 feierte Graf Ferdinand von Zeppelin auf dem luxuriösen Halbsalondampfer seinen 75. Geburtstag. Heute liegt die in der Schweiz gebaute Hohentwiel in Hard und fährt unter österreichischer Flagge. So sind alle Anrainerstaaten am Bodensee irgendwie mit der Hohentwiel verbunden.

„Wenn es einen guten Geist gibt, dann hat die Hohentwiel einen“, sagt Kapitän Adolf F. Konstatzky, Geschäftsführer der Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft. Mehrfach entging sie dem endgültigen Aus, bevor der „Schrotthaufen“ 1984 vom Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum aufwendig restauriert wurde, sodass man heute wieder in Nostalgie schwelgen kann. Zum vollständigen Glück fehle nur eines: die unauffindbare Schiffsglocke. Wie Kapitän Konstatzky berichtet, war sie 1962 noch vorhanden, als das Schiff zum Abwracken nach Konstanz gebracht wurde. Seitdem fehlt jede Spur, doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen bleibt.

An Originalstücken hat die Ausstellung im Häfler Zeppelin Museum denn auch sehr wenig zu bieten. Schließlich hat man bei der Restaurierung alle noch auffindbaren Teile eingebaut und mag jetzt nicht einfach welche abmontieren. So ist ein vergleichbares, nur unwesentlich kleineres Steuerrad zu sehen, ein nautisches Instrument, die letzte Originalflagge von 1962. Dafür ist als Prachtstück in der Raummitte ein Modell im Maßstab 1:32 von allen Seiten zu betrachten.

Fotos erzählen ihre Geschichte

Seit 1990 dampft die restaurierte Hohentwiel wieder über den See. 240000 Kilometer hat sie seither zurückgelegt und keine einzige Fahrt wegen technischer Probleme ausfallen lassen müssen. So solide wie das Schiff einst gebaut und nun restauriert wurde, könne es gut noch weitere 100 Jahre auf dem See fahren, ist der Kapitän überzeugt. Wer es betritt, macht eine Zeitreise zurück, erlebt Entschleunigung. An den Wänden des Grenzraums erzählt eine Zeitleiste mit zahlreichen Originalfotografien von den Anfängen des Schiffes, seinen verschiedenen Stationen, beispielsweise als Clubheim des Bregenzer Segelclubs, und von seiner wundersamen Wiedergeburt.

Als die Dieselmotoren aufkamen, war die Zeit der Dampfschiffe zu Ende. Die Motorschiffe sparten Personal, Treibstoffkosten und Zeit, die Dampfer wurden ausgemustert. Spät kam das Umdenken. Auf anderen Seen war die Dampfschiffgeschichte nie so abgerissen. Aber auch der Bodensee hat wieder sein Dampfschiff und liebt es. Es sei das „schönste Dampfschiff Europas“, sagt sein Kapitän.

Die am Donnerstagabend eröffnete gemeinsame Ausstellung der Hohentwiel-Schifffahrtsgesellschaft und des Zeppelin Museums ist bis 4. August im Grenzraum des Museums zu sehen. Geöffnet täglich von 9 bis 17 Uhr.

(Helmut Voith/Schwäbische Zeitung v. 21.06.13)

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