Unfallserie auf dem See

Der Rorschacher Hafen war vor hundert Jahren Schauplatz spektakulärer Unfälle

Wie heute noch, gehörten Seefahrten bei uns schon vor einem Jahrhundert zu den touristischen und gesellschaftlichen Höhepunkten . Der «Rorschacher Bote» berichtete damals aber auch über Seefahrten, die alles andere als lustig waren .

Am 15 . Oktober 1907 will eine zwölfköpfige Gesellschaft aus St . Gallen morgens mit dem ersten Dampfschiff nach Friedrichshafen fahren . Sie verfehlen das Schiff um ein paar Minuten . Da bietet sich Schiffsvermieter Füllemann mit einem Motorboot an .

Im Nebel verirrt

Der Bootsführer verliert in dichtem Nebel die Orientierung . Gemäss Zeitung wird das Boot nach acht Stunden endlich von einem württembergischen Dampfer gefunden und ans deutsche Ufer gebracht . Die Passagiere sind durch Kälte arg mitgenommen . Füllemann rechtfertigt sich in der Zeitung . Die Passagiere wollten zuerst nach Langenargen und entschlossen sich erst auf dem See für Friedrichshafen . Nach der Richtungsänderung funktionierte der Kompass «aus unerklärlicher Ursache» nicht mehr recht . «Dass unser Boot von einem Dampfer an den Bestimmungsort gebracht werden musste, ist dann nicht bloss Übertreibung, sondern Erfindung . »

Dampfer kollidierten

Am 14 . Januar 1908 stossen zwei Dampfschiffe vor dem Rorschacher Hafen zusammen . Die württembergische «König Willhelm» ist verspätet, folgt der schweizerischen «Rhein» zu rasch und stösst ihr mit voller Kraft in die Seite . Der Radkasten der «Rhein» ist zertrümmert . Beim württembergischen Dampfer gibt es erhebliche Beschädigung am Bug und einen Riss oberhalb der Wasserlinie . Glück im Unglück: Personen werden nicht verletzt und beide Schiffe können ihre Fahrt fortsetzen . Nur zwei Tage später, am 16 . Januar 1908, bewahrheitet sich das Sprichwort, ein Unglück komme selten allein . Der neue Dampfer «Säntis» rammt in dichtem Nebel die Hafenmauer . Die Passagiere kommen mit dem Schrecken davon . Die beschädigte «Säntis» setzt ihre Fahrt verspätet fort .

Unglück vor der Goldacher Badi

Am 2 . Juli 1910 bringt der Dampfer «Friedrichshafen» ein vor Altenrhein in Not geratenes Segel-Lastschiff in den Hafen von Rorschach . Es hat ein gebrochenes Steuerruder und läuft Gefahr, bei dem hohen Wellengang an den Strand geworfen zu werden . An Bord ist Material für die Bodensee-Toggenburg-Bahn .

Ein schreckliches Unglück ereignet sich am 7 . Mai 1907 vor der Goldacher Badi . Vier junge Menschenleben sind zu beklagen . Trotz heftigen Föhnsturms wagen sich fünf Personen vom Rietli aus in ein Boot, das nur für vier berechnet ist . Die Fahrt endet bei der Goldachmündung, etwa 100 Meter vom Land entfernt . Bootsführer Eisenhart will das kleine Segel einziehen, dabei kippt das vom Sturm hin und her geworfene Boot . Er kann sich am gekenterten Schiff festhalten während die Passagiere, zwei junge Frauen und zwei junge Männer, in den Fluten verschwinden . Der See ist hier rund 50 Meter tief . Die Verunglückten aus Vorarlberg, Bayern und dem Elsass sind alle bei hiesigen Haushalten und Fabriken angestellt . Bootsführer Eisenhart wird Unkenntnis in der Führung des Schiffes vorgeworfen und er wird in Haft gesetzt .

Während des Sturmes wird ein anderes Schiff bis 3 Uhr nachts auf dem See umher getrieben . Vier Insassen schweben in ständiger Lebensgefahr . Das einströmende Wasser schöpfen sie mit ihren Hüten . Die Seefahrt endet, erschöpft und durchnässt, in der Herberge «Rössli» – Glück gehabt!

Die Schifffahrt boomte

Seefahrten sind zu jener Zeit sehr populär . Mit «Rhein» und «St . Gallen» wird zur Extrafahrt an die Motorboot-Wettfahrten in Friedrichshafen eingeladen . Beide Boote sind mit Touristen überfüllt . Viele erhalten keinen Platz mehr . In Rorschachs Strassen wimmelt es an diesem Sonntag von Ausflüglern . Ein Zeitungskommentator meint dazu: «Von einer industriellen Krise ist nicht das mindeste zu spüren!»

SBB-Flotte damals

Zur SBB-Bodenseeflotte gehörten 1908 sieben Dampfschiffe: 
Thurgau – 300 Reisende/23 Tonnen; 
Zürich – 300 Reisende/23 Tonnen; 
Helvetia – 700 Reisende/55 Tonnen; 
Säntis – 400 Reisende/30 Tonnen; 
St . Gotthard – 450 Reisende/34 Tonnen; 
St . Gallen – 750 Reisende/56 Tonnen; 
Rhein – 750 Reisende/56 Tonnen .

(Franz Wick/St. Galler Tagblatt v. 16.06.06)

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