Dauerbetrieb ohne gravierende Panne

Die Fähren sind rund um die Uhr im Einsatz. Mensch und Maschine erbringen Hochleistungen. Hafeneinfahrt in Meersburg mit Tücken.

Sie pendeln tagsüber und nachts, sie sind rund um die Uhr Einsatz und fast immer pünktlich. Auf der 4,8 Kilometer langen Fährverbindung über den Bodensee zwischen Konstanz und Meersburg ist nie Betriebsschluss. Immer ist mindestens eine der Auto- und Passagierfähren auf dem Wasser, zu Hochzeiten sind es sogar alle sechs. Im Sommer fahren sie Akkord, schaufeln bis zu 64 Autos mit einer Fuhre über den See. Den Betreibern, den Konstanzer Stadtwerken, gelingt mit den bis zu 730 Tonnen schweren Dauerschwimmern, die sogar tanzen können, ein fast störungsfreier Betrieb. Das letzte Mal, dass die Fährverbindung massiv beeinträchtigt oder unterbrochen war, liegt 15 Jahre zurück und hatte mit Jahrhundertereignissen zu tun: Mit dem Bodenseehochwasser, das im Frühsommer Rekordwerte erreicht hatte, und mit dem Orkan Lothar, der im Dezember heftiger als erwartet durch Konstanz getobt war.

Doch wenn nicht gerade eine Naturkatastrophe dazwischen kommt, sind die Fähren auf Kurs – 24 Stunden lang, an 365 Tagen im Jahr, und sie trotzen dabei sogar Stürmen bis Stärke 9. In den mehr als 80 Jahren des Betriebs der schwimmenden Brücke zwischen Konstanz und Meersburg ist kein nennenswerter Unfall verzeichnet, aber ein schöner Zufall: Am 18. Mai 1989 wurde ein Baby auf der Fähre Meersburg geboren. Die Mutter hatte sich hochschwanger für den Seeweg zum Konstanzer Krankenhaus entschieden. Schon beim Ablegen hatte sich wohl abgezeichnet, dass das Kind schnell auf die Welt kommen wollte. Der Stadtwerke-Chronik ist zu entnehmen, dass der Schiffsführer alle Fahrpläne ignorierte, vorzeitig ablegte und mit voller Kraft voraus nach Konstanz aufbrach. Kurz nach Hälfte der Strecke aber gebar die Schwangere einen gesunden Jungen.

Volle Kraft voraus, das ist auch über Monate im Sommer das Motto auf den Fähren. Die gesamte Flotte mit allen sechs Schiffen ist dann auf dem Wasser. Es bleiben gerade noch zehn Minuten Zeit zum Be- und Entladen, fünf Minuten weniger als üblicherweise. Im Schnellverfahren müssen Lastwagen, Busse und Autos aufs Schiff dirigiert werden. Der Saisonbetrieb fordert Mensch und Maschine. Dass es dennoch wenige Pannen gibt, führt Stefan Ballier, Fährechef der Stadtwerke Konstanz, auf kluge Sicherungssysteme und permanente Kontrollen zurück. „Das ist wie mit einem Auto, das Sie ständig streicheln und pflegen.“

Die Fährebetreiber verlassen sich nicht nur auf elektronische Meldesysteme von technischen Defekten. Ohne dass der Passagier etwas bemerkt, ist jede Fähre bei jeder Überfahrt in Inspektion. Denn immer steigt der Maschinist in den Motorenraum und überprüft, ob die Technik reibungslos läuft. Es geht dabei nicht nur um den eigentlichen Antrieb. Jede Fähre gleicht einem schwimmenden Haus mit einer Heizung, Lüftung, Frisch- und Abwasseranlage, Notstromaggregaten sowie „Brunnen“ für Kühl- und Löschwasser. Bei einer Fahrt meldet Martin Scheihing: „Der Jockel funktioniert nicht“, es gibt also Probleme mit einem Rußfilter. Kaum ist die Fähre in Meersburg gelandet, macht sich der Maschinist auf den Weg zur Werkstatt des Betriebsgebäudes. Dort stehen sieben Mitarbeiter für Austausch- und Instandhaltungsarbeiten bereit, darunter Mechaniker, Schlosser, Elektriker, Schreiner und Maler. Ein Notdienst sichert, dass immer jemand vom technischen Hintergrundpersonal erreichbar ist. Und der gesamte Schiffsbauch ist ein Hochsicherheitstrakt. Zwölf getrennt verschließbare Abteilungen sollen für die Schwimmfähigkeit der Fähre sorgen, selbst wenn nach einem Unfall an einer Stelle Wasser eindringen sollte.

Doch nicht nur die Technik fordert die Menschen. Bei jeder Hafeneinfahrt ist besondere Konzentration angebracht. Der Steilschwenk über fast 90 Grad in den Hafen von Meersburg erfordere Fingerspitzengefühl, sagt Ballier. Dank des Voith-Schneider-Propellers, eine Art senkrecht angebrachter Schiffsschraube, deren Blätter gleichzeitig für den Antrieb und die Steuerung zuständig sind, sind die großen Fähren relativ wendig. Sie können in alle Richtungen, vorwärts, rückwärts und seitwärts, fahren und sich sogar um sich selbst drehen. Dieses „Tanzen“ ist bei besonderen Anlässen wie der Taufe eines neuen Schiffs üblich. Sollte ein Schiffsführer am Steuer ohnmächtig werden, sind die Fähren dennoch nicht führerlos unterwegs. Ein Sicherungssystem erfordert alle paar Sekunden den Beweis durch Knopfdruck, dass der Mensch am Steuer bei vollem Bewusstsein ist. Bleibt die Bestätigung aus, gibt es erst ein Warnzeichen. Kommt dann immer noch keine Reaktion, geht ein Alarm los, und der Maschinist muss nachsehen, was los ist. Dieser ist so ausgebildet, dass auch er die Fähre sicher in den Hafen steuern kann. Sollte es dennoch Probleme geben, bringt eine Notsteuerung das Schiff zum Stehen. „Wir haben für alles einen Plan B“, versichert Ballier.

Früher umstritten, heute eine Goldgrube

Der Fährbetrieb: Die erste Autofähre zwischen Konstanz und Meersburg ging am 30. September 1928 in Betrieb. Damals war das Projekt umstritten, es gab erhebliche Zweifel am wirtschaftlichen Erfolg. Heute ist der Fährbetrieb eine Goldgrube. Die Stadtwerke Konstanz setzen die Gewinne ein, um das Defizit beim Stadtbus zu verringern. Für den Fährbetrieb arbeiten rund 150 Menschen. Seit dem Start haben die Schiffe eine Wegstrecke zurückgelegt, die etwa 420 Erdumrundungen entspricht. Jährlich befördert sie rund 4,3 Millionen Personen, 1,4 Millionen Autos und 89 000 Nutzfahrzeuge. Im Jahr queren die aktuell sechs Fährschiffe rund 61 000 Mal den Bodensee zwischen Meersburg und Konstanz. Der Fährbetrieb ruht nie. Selbst nachts ist immer eine Fähre unterwegs als „schwimmende Brücke“ zwischen den durch den See getrennten Städten.

Die Flotte: Das historische erste Fährschiff, die Konstanz, ist heute ein Gastronomie-, Schau- und Ausflugsschiff. Seinen Liegeplatz hat es am historischen Anleger im Fährehafen von Konstanz-Staad. Im aktuellen Fährbetrieb pendeln sechs Schiffe, das größte ist das jüngste Schiff, die 2010 in Betrieb genommene Lodi. Sie ist mehr als 82 Meter lang und mehr als 13 Meter breit – ein Riese im Vergleich zur ersten Fähre. Diese war gerade 32 Meter lang und 9,40 Meter breit. Die älteste Fähre im heutigen Pendeldienst ist die Fontainebleau aus dem Jahr 1970. Zur Flotte gehören weiter: Die (neue) Konstanz (1975), die Meersburg (1980), die Kreuzlingen (1993) und die Tabor (2004). Bei den beiden jüngsten Fähren gibt ein halbovaler Bogen dem Schiffskörper eine charakteristische Form, die sich deutlich von den Vorgängermodellen unterscheidet. 

(Claudia Rindt/Südkurier v. 06.03.14)

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