Vor 70 Jahren: Das Ende des Dampfers "Friedrichshafen"

Das Schwesterschiff der "Hohentwiel" fiel 1944 einem Fliegerangriff zum Opfer

Sie war eines der stolzesten und komfortabelsten Schiffe der ehemaligen Dampferflotte der Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen. Die "Friedrichshafen" leitete den letzten Erneuerungsabschnitt der württembergischen Dampferflotte ein und fiel auf den Tag genau 35 Jahre nach dem Stapellauf, am 28. April 1944 einem Bombenangriff zum Opfer.

Schon 1906 beschlossen die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen, den 50 Jahre alten Dampfer „Friedrichshafen“ (I) durch einen Neubau zu ersetzen. Der aus dem Jahre 1856 stammende Glattdeckdampfer war 1878 in ein Halbsalonschiff umgebaut worden, galt aber bei einem Vergleich mit den ab 1890 in Dienst gestellten „Königsschiffen“ bald als hoffnungslos veraltet. Im Jahre 1905 war der langjährige Vorstand der Dampfschifffahrts-Inspektion Friedrichshafen, Friedrich Bethge durch den ehemaligen Fregattenkapitän der kaiserlichen Marine, Wilhelm Rollmann abgelöst worden. Rollmann setzte sich sofort mit Nachdruck für eine Erneuerung der württembergischen Dampferflotte ein. Im Jahre 1907 wurde die Zürcher Maschinenfabrik Escher Wyss mit ersten Studien für ein Neubauschiff beauftragt. Maschinenleistung und Komfort sollten den 1905/6 fertiggestellten Schweizer Schiffen „St. Gallen“ und „Rhein“ entsprechen. Im Mai 1908 wurde am Zürcher Limmatufer mit der Vormontage begonnen. Die Einzelteile wurde auf Güterwaggons verladen und mit Trajektkähnen von Romanshorn nach Friedrichshafen verschifft. Der Zusammenbau unter der Aufsicht von Oberbaurat Eugen Kittel und den Konstrukteuren Josef Schätti und Franz Kretzschmar begann im Oktober. Am 3. Februar 1909 wurde der Schiffsrumpf zum ersten Mal zu Wasser gelassen und von der Dampfbarkasse „Buchhorn“ zum Einbau der Kessel- und Maschinenanlage nach Romanshorn geschleppt. Der offizielle Stapellauf erfolgte am 28. April 1909, die erste Probefahrt in Richtung Konstanz und Überlingen fand am 11. Mai statt. Aber die endgültige Indienststellung ließ noch auf sich warten, da die Schiebersteuerung am Hochdruckzylinder versuchsweise gegen eine neuentwickelte Ventilsteuerung ausgetauscht wurde. Die Gestaltung der Innenräume wurde den Stuttgarter Kunstwerkstätten unter der Leitung von Bernhard Pankok übertragen. Der von Pankok entworfene Hauptsalon im funktionalen Jugendstil entsprach ganz den Vorstellungen des damaligen Werkbund-Gedankens. Raucher- und Damenkabine entwarfen die Professoren Paul Haustein und Rudolf Rochga, die später auch am Innenausbau des Schwesterschiffes „Hohentwiel“ beteiligt waren. Der geschützte Teil auf dem Hauptdeck war gegenüber den früheren württembergischen Dampfschiffen durch eine halbrunde Glasabschlusswand erweitert worden. Besonders auffällig wirkte der markante, bis auf den Rauchabschluss ummantelte Schornstein. Am  Samstag, den 3. Juli 1909 wurde die neue „Friedrichshafen“ offiziell in Dienst gestellt. An der Jungfernfahrt nahm neben den Vertretern der Eisenbahndirektion Stuttgart und der Baufirma Escher Wyss auch König Wilhelm II. von Württemberg teil. Die dreistündige Rundfahrt führte bis auf Höhe der Insel Mainau und vorbei am Konstanzer Trichter zurück nach Friedrichshafen. Am darauffolgenden Sonntag verkehrte der neue Dampfer zum ersten Mal im Kurseinsatz auf der traditionellen Querverbindung zwischen Friedrichshafen und Rorschach. Mit einer Maschinenleistung von 775 PS erreichte die „Friedrichshafen“ eine durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit von 27,8 km/h. Aber die neue Ventilsteuerung am Hochdruck-Zylinder funktionierte noch nicht ganz zufriedenstellend. Nach einer Rückkehr aus Bregenz trat am Abend des 12. Juli 1909 ein nicht näher umschriebener Defekt auf und der Dampfer lag 15 Minuten lang manöverierunfähig vor der Hafeneinfahrt, ehe die „Württemberg“ zu Hilfe kam und die „Friedrichshafen“ an die Werftpier schleppte. Der Schaden wurde in Nachtarbeit behoben und am darauffolgenden Tag war das Schiff wieder einsatzbereit. Bei einem orkanartigen Weststurm am 22. Juni 1914, rettete die von Kapitän Josef Kugel kommandierte „Friedrichshafen“ drei in Seenot geratenen Fischern aus Arbon und Konstanz-Staad vor dem sicheren Tod. Für zwei weitere Personen kam allerdings jede Hilfe zu spät, sie konnten von der Dampferbesatzung nicht mehr geborgen werden.

Als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges sämtliche königlichen Wappen von den Radkästen der württembergischen Dampfer verschwanden, blieben die von Hugo Pelargus gegossenen Bronze-Reliefs der „Friedrichshafen“ und des Schwesterschiffes „Hohentwiel“ unangetastet. Erst  1941 wurden diese künstlerisch wertvollen Wappenschilder entfernt und zur Rohstoffgewinnung eingeschmolzen. Das nach 1925 beginnende Zeitalter des Massentourismus forderte auch von den beiden modernsten und leistungsstärksten württembergischen Dampfern seinen Tribut. Auf dem Vorschiff und auf dem Oberdeck entstanden neue Fahrgasträume für die I. Klasse, der Hecksalon diente von nun an als Aufenthaltsraum für die 2. Klasse. Sämtliche Stilelemente und Sitzpolster wurden durch einfache Holzmöbel ersetzt, die kostbare Täfelung an den Seitenwänden entfernt und mit lackiertem Sperrholz verkleidet. Im Jahre 1931 wurde die Flotte durch das Motorschiff „Ravensburg“ ergänzt. Mit Beginn des Winterfahrplans 1933 schied der nun entbehrlich gewordene Dampfer „König Karl“ aus.

Als erster Dampfer wurde 1932/33 die „Hohentwiel“ von der Bodanwerft umgebaut, ein Jahr später kam die „Friedrichshafen“ an die Reihe. War bei der „Hohentwiel“ während der ersten Umbauetappe noch auf Stabilitätsanbauten verzichtet worden, so erhielt die „Friedrichshafen“ von Anfang an zu beiden Seiten des Vor- und Achterschiffes wulstförmige Schwimmkörper mit abgeschrägten Kanten im Bereich der Schaufelräder. Dadurch konnte die zulässige Personenzahl von ursprünglich 600 auf 700 Fahrgäste erhöht werden. Nach dem Vorbild der „Friedrichshafen“ wurde 1934/35 auch die „Hohentwiel“ abgeändert und mit den identischen, von der Bodanwerft in Kressbronn entwickelten Satteltanks für eine Erhöhung der Tragkraft auf 850 Personen nachgerüstet.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bildeten diese beiden Dampfer das Rückgrat im Obersee-Längsverkehr ab Friedrichshafen. Das Motorschiff „Ravensburg“ war bis Juni 1941 noch sporadisch im Kursverkehr unterwegs. Die neue „Schwaben“ diente schon diesem Zeitpunkt in Langenargen der Erprobung von Unterwasser-Horchgeräten der Bremer Atlaswerke für die Kriegsmarine. Schon am 3. Juni 1940 war der Querverkehr in die Schweiz eingestellt worden und so konnten älteren Dampfschiffe „Königin Charlotte“ und „Württemberg“ in Reserve gehalten werden. Die „Königin Charlotte“ leistete über mehrere Monate Aushilfsdienste für den Hafen Konstanz. Nach dem ersten Luftangriff auf die Stadt Friedrichshafen im Juni 1943, erhielten auch die letzten, noch weiß gebliebenen Schiffe einen dunkelgrauen Tarnanstrich aufgetragen. Die „Hohentwiel“ und die „Friedrichshafen“ erreichten in diesem Jahr Fahrleistungen zwischen 45.000 und 52.000 Kilometern.

SD Friedrichshafen II im Sommer 1943 vor Bregenz
(Bild Archiv Karl F. Fritz)

Im März 1944 wurde die „Friedrichshafen“ auf Stapel genommen um den Unterwasser-Anstrich zu erneuern. Dieser Werftaufenthalt wurde dem Dampfer zum Verhängnis. Hatte ein Tagesangriff von US-Bombern am 24. April der umliegenden Rüstungsindustrie gegolten, so richtete sich der von 309 Bombern der Royal Air Force in den Morgenstunden des 28. April 1944 geflogene Nachtangriff hauptsächlich gegen die Altstadt und den Hafen. Das um 2.09 Uhr beginnende Flächenbombardement, verwandelte den alten Stadtkern in ein brennendes Inferno. Ganze Reihen von Brandbomben gingen auch auf den Hafen und das Werftgelände nieder. Die Werfthalle mitsamt der aufgestapelten „Friedrichshafen“ brannte vollständig aus. Die Decksaufbauten wurden durch die Trümmer des einstürzenden Daches zerstört. Als einziges betriebsbereites Schiff befand sich noch der Dampfer „Württemberg“ im Hafen, der durch eine Nahdetonation leckgeschlagen wurde und auf ebenem Kiel sank. Die um 20.10 Uhr in Konstanz eingetroffene „Hohentwiel“ sollte um 20.45 Uhr wieder nach Friedrichshafen auslaufen, wurde aber vom Luftwarn-Meldedienst der Reichsbahn zurückgehalten, da auch mit Südeinflügen zu rechnen war. Auf diese Weise überlebte die „Hohentwiel“ als einziger württembergischer Dampfer diesen Luftangriff. Während der Aufräumarbeiten wurde die „Friedrichshafen“ eingewassert. Dabei stellte es sich heraus, dass das Schiff zwar noch bedingt schwimmfähig war, aber sich sämtliche Spanten durch die brennenden Stapelhölzer verformt hatten. Die „Württemberg“ wurde gehoben und auf die provisorisch reparierte Helling gezogen, fiel aber dann endgültig am 20. Juli 1944 einem Angriff amerikanischer Liberator-Bomber zum Opfer. Die „Friedrichshafen“ hatte zwar den Krieg überstanden, wurde aber dann in wrackähnlichem Zustand in den Wocher-Hafen nach Langenargen geschleppt, wo der Dampfer vermutlich durch ein nicht lokalisiertes Leck auf Grund sackte. Das Schiff wurde von der Ortsfeuerwehr leergepumpt und nach Friedrichshafen zurückgeschleppt. Nach dem Ausbau der Maschine und sämtlicher, noch verwertbarer Teile, wurde der Torso mit Beton ausgegossen und im „Schweb“ vor der Argenmündung versenkt. Auf diese Weise fand das unglückliche Schwesterschiff der „Hohentwiel“ im Jahre 1946 sein Grab auf dem Grund des Bodensees.

(Karl F. Fritz)  

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