Mit der „Wilhelm“ beginnt auf dem Bodensee eine neue Ära

Ganz Friedrichshafen war auf den Beinen, als am 17. August 1824 das erste Dampfschiff auf dem Bodensee, die „Wilhelm“, an der Bucht nahe dem damaligen „Salzstadel“ die Taufe erhielt, und zwar von Königin Pauline selbst: „Wir taufen dieses Schiff auf den Namen unseres allergnädigsten Königs Wilhelm und wünschen allzeit gute Fahrt!“ Wie auf ein geheimes Kommando hin begannen darauf alle Kirchenglocken in der Stadt zu läuten, die gerade erst einmal 1811 selbst mit dem Namen „Friedrichshafen“ aus der Taufe gehoben worden war.

Mit einer Probefahrt nach Langenargen startet am 11. November 1824 für den Bodensee damit die Ära der Dampfschifffahrt. „Gespannt blicken die Zuschauer auf das noch unbewegliche Schiff – da, langsam fangen die Schaufelräder an, sich zu drehen und das Schiff dampft aus dem Hafen hinaus in Richtung Langenargen“, schreibt ein Chronist. Trotz Sturm und hoher Wellen folgt eine erste offizielle Fahrt der „Wilhelm“ über den See nach Rorschach. Dort feiern die Rorschacher die Ankunft genauso wie die Friedrichshafener die Jungfernfahrt über den Bodensee.

Die Dampfschifffahrt bringt gewaltige Veränderungen am und auf dem See. Die Lastensegler sind passe´, der Handels- und Passagierverkehr blüht auf und fördert das Wachsen der jungen württembergischen Stadt Friedrichshafen. Die Eisenbahn befördert zusätzlich Ausflügler und Sommerfrischler ans „Schwäbische Meer“. Deshalb nehmen die Badischen Staatseisenbahnen mit der „Kaiser Wilhelm“ 1871 erstmals einen Salondampfer in Betrieb und 1877 die Württemberger den Salondampfer „Christoph“. 1874 wurden auf dem See bereits 28 deutsche, österreichische und schweizerische Dampfer gezählt.

Von schweren Schiffsunglücken blieb die Dampfschifffahrt in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte auf dem See verschont. Einzig die „Zürich“ aus Romanshorn war gleich in drei Unfälle verwickelt. 1860 kollidierte sie vor Friedrichshafen mit der „Königin von Württemberg“, 1861 rammte sie das bayerische Dampfboot „Ludwig“, weil der Kapitän der „Ludwig“ ihr Topplicht für die Rorschacher Hafeneinfahrt gehalten hatte. Die 13 Personen an Bord der „Ludwig“ ertranken. 1864 stieß die „Zürich“ noch mit der „Jura“ zusammen, konnte aber Mannschaft und Passagiere vom sinkenden Schiff retten.

Eine Neuheit in der Dampfschifffahrt stellten die Schleppschiffe dar: Trajektkähne mit oder ohne Antrieb zur Beförderung von Eisenbahnwaggons. So eröffnete die schweizerische Nordostbahn gemeinsam mit den württembergischen Staatsbahnen 1869 die erste Trajektroute zwischen Romanshorn und Friedrichshafen, die erst 1976 aufgegeben wurde. Seit dieser Zeit übernehmen Fährschiffe der Bodensee-Schiffsbetriebe und der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft die Personen –und Fahrzeugbeförderung zwischen Friedrichshafen und Romanshorn.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden fast alle Bodenseeschiffe, die die Namen der Herrscher oder der Königshäuser trugen, umgetauft und die Königskronen aus den Radkästen gebrochen. Während des Zweiten Weltkriegs war der Schiffsverkehr eingeschränkt und ab 1940 zwischen dem deutschen und schweizerischen Ufer ganz eingestellt. Die „Königin Charlotte“ diente zusammen mit dem Fährschiff „Schussen“ und mehreren Trajektkähnen als Basis für eine Flakbatterie vor Friedrichshafen und wurde bei einem Bombenangriff beschädigt. Die „Friedrichshafen“ brannte in der Werft völlig aus, die „Württemberg“ versank im Hafenbecken.

In den 1950er Jahren ging das Zeitalter der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee langsam aber sicher zu Ende. Nach und nach wurden alle Passagierdampfer außer Dienst gestellt. Gleichzeitig nahmen die Schifffahrtsgesellschaften neue Großmotorschiffe in Betrieb.

Das schönste Relikt aus der Ära der Dampfschiffe ist wohl die „Hohentwiel“, die seit Mai 1990 wieder auf dem Bodensee kreuzt. Der Salondampfer, 1913 in Dienst gestellt, diente wegen seiner prunkvollen Einrichtung besonders für Repräsentationsfahrten des württembergischen Königshauses. Zwischen 1986 bis 1990 wieder in mühevoller Arbeit originalgetreu instand gesetzt, besticht es durch seine luxuriöse Ausstattung. Heute gilt das stolze Schiff in seinem alten, neuen Glanz als das am besten restaurierte Dampfschiff Europas.

Quellen: „Schifffahrt am Bodensee“, Herausgeber: Vorarlberger Landesmuseum, „Friedrichshafener Jahrbuch für Geschichte und Kultur Band 7“, Herausgeber: Jürgen Oellers, Stadtarchiv Friedrichshafen, „Geschichten aus Buchhorn und Friedrichshafen Band 2“, Herausgeber: Stadt Friedrichshafen, „Bodensee-Magazin“, Herausgeber: Labhard Medien GmbH

(Volker Geiling/Südkurier v. 20.09.11)

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