Schweizer warnen

Gegner des Flottenkaufs durch Stadtwerke legen Bericht vor

So begehrt waren Bodenseeschiffe wohl noch nie. Seitdem sich die auf den Bahnverkehr spezialisierten staatlichen Verkehrsunternehmen von den Schiffslinien trennen, entdecken manche die Liebe zur Schifffahrt ganz neu. Dazu gehören einige Ostschweizer Unternehmer. Sie wollen verhindern, dass die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ihre Schifffahrt (SBS) an die Stadtwerke Konstanz verkaufen. Kaum haben sich der Regierungsrat des Kantons Thurgau und acht Schweizer Bodenseegemeinden zu den Konstanzern bekannt (wir berichteten), legen die Gegner einen "Bericht" über die Verkaufsabsichten vor. Die Quintessenz: Dazu darf es nicht kommen. Die SBS AG könne aus eigener Kraft existieren.

Die Unternehmer nennen sich "Gruppe Cason". Denn das jetzige Verkaufstheater hat der Romanshorner SBS-Maschinist Flavio Cason ausgelöst. Er pocht als Minderheitsaktionär auf sein Vorkaufsrecht. Die Gerichte werden darüber noch endgültig entscheiden. Am Montag lobten Vertreter des Kantons und der acht Gemeinden die Stadtwerke für das "notwendige Know-how" und die "ausgewiesenen Marktkenntnisse". Es bestünde die Chance, attraktive Verbindungen quer über den See zu schaffen.

Kaum waren die wohl gesetzten Worte verklungen, veröffentlichten die Gegner eine Pressemitteilung. Darin wird dies alles in Frage gestellt. Bei einer Übernahme der SBS durch die Konstanzer bestehe die Gefahr einer sinkenden Attraktivität und Dienstleistung. Sie warnen vor einem Imageverlust des Thurgaus und der Schweiz.

Die Aussagen fußen auf einem Bericht von Beat Zumstein. Er sei "im Bereich der Schweizerischen Schifffahrt in rechtlicher Hinsicht beratend tätig" und unabhängig, heißt es in der Mitteilung. Der Autor zerpflückt die Strategie der Konstanzer. Die Flottenpolitik der Stadtwerke-Tochter BSB (Bodensee-Schiffsbetriebe) führe zur Selbstdemontage. So mustere sie nach und nach alte Schiffe aus.

Die "Gruppe Cason" treibt die Kritik auf die Spitze: Es sei "allgemein bekannt, dass sich die Stadtwerke Konstanz auf Abbaukurs befinden". Dabei wollen die BSB in den kommenden Jahren Millionen investieren, um die Flotte zu erneuern. Der Autor sieht dies allerdings als problematische Geschäftspolitik an. Er beurteilt weiter den Fahrplan als nicht mehr zeitgemäß, die Qualität als ungenügend und die Gastronomie schwanke zwischen einem guten und ungenügenden Angebot. In seinem Bericht argumentiert Zumstein zum Teil emotional. So spricht er davon, die Stadtwerke hätten nur das Bedürfnis, auf dem See "zu dominieren". Zudem ist mehrfach von Gerüchten die Rede. Josef Siebler

(Josef Siebler/Südkurier v. 29.03.06)


"Flotte darf nie nach Konstanz gehen"

Flavio Cason, der Kleinaktionär der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS), geht zusammen mit Investor Rolf Beerli in die Offensive und nennt Namen. Unter anderem denjenigen von AFG-Chef Edgar Oehler.

Die Thurgauer Regierung und acht Ufergemeinden appellieren an Sie, den Widerstand aufzugeben.

Geben Sie nach?

Flavio Cason: Nein. Es steht zu viel auf dem Spiel. Wenn die Schweizer Bodenseeflotte ins Ausland verkauft wird, gibt es für mindestens 50 Jahre kein Zurück mehr. Wir sind deshalb entschlossen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die SBS in Schweizer Hand bleibt. Im Übrigen beharre ich nur auf meinem Eigentumsrecht, das mir anfänglich von den SBS schriftlich bestätigt wurde. Rolf Beerli: Vor allem verlangen wir, dass sich die Gegenseite endlich ernsthaft mit unserer Position auseinander setzt.

Bis jetzt ist das nicht passiert?

Beerli: Wir haben Regierungsrat Kaspar Schläpfer vor einiger Zeit einen 14seitigen Bericht eines Schifffahrts-Experten zur Verfügung gestellt, der die Vor- und Nachteile des Verkaufes der SBS an die Stadtwerke Konstanz einer Schweizer Lösung gegenüberstellt. Gehört haben wir bis heute allerdings nichts. Stattdessen ging Herr Schläpfer an die Öffentlichkeit, ohne auch nur mit einem Wort auf die Studie einzugehen, die den Verkauf der Flotte ins Ausland in Frage stellt. Hätte Herr Schläpfer nur zwei Seiten gelesen, müsste er einsehen: Die SBS dürfen nie nach Konstanz gehen.

Warum nicht?

Beerli: Die Stadtwerke Konstanz sind dank ihrer Monopolstellung im Fährbetrieb zwischen Konstanz und Meersburg stark, und nicht weil sie besonders kompetent wären, wie immer wieder behauptet wird. Zudem spielen sie mit verdeckten Karten. Die Frage stellt sich: Was haben die Verantwortlichen zu verbergen? Wir haben einen Expertenbericht vorgelegt und einen Businessplan erarbeitet. Von der Gegenseite gibt es nichts Vergleichbares. Man weiß nicht einmal, zu welchem Preis die SBS den Besitzer wechseln soll. Wir dagegen legen alles auf den Tisch.

Cason: Und wir sind überzeugt, dass wir es mindestens so gut und erst noch billiger machen können als die Stadtwerke, die das Angebot abbauen werden; in den letzten zwei Jahren haben sie die Tragkraft ihrer Schiffe bereits um 2500 Personen heruntergefahren. Will eine Schweizer Gemeinde den gleichen Service wie heute, müsste sie künftig teuer dafür bezahlen.

Die Stadtwerke Konstanz sind ein wichtiger Kunde der SBS-Werft in Romanshorn. Ist eine spätere Zusammenarbeit überhaupt denkbar, nach alle dem, was passiert ist?

Cason: Es gibt keine Alternative. Die Stadtwerke Konstanz reißen ihre Werft in Friedrichshafen in den nächsten drei Jahren ab. Auf dem Gelände soll ein Hotelkomplex gebaut werden. Der Rest ist eine einfache Rechnung: Man zählt alle Werften und alle Schiffe am Bodensee und sieht ganz schnell, dass man nicht um die Werft in Romanshorn herumkommt, die am Bodensee eine der besten und effizientesten ist.

Beerli: Aus diesem Grund kommen die Stadtwerke Konstanz jetzt massiv unter Druck.

Es ist immer von einer Investorengruppe die Rede, die für eine Schweizer Lösung einsteht. Wer steht dahinter?

Beerli: Unterstützung zugesagt haben unter anderem AFG-Chef Edgar Oehler, der Privatschulbesitzer Peter Fratton, der Amriswiler Unternehmer Hermann Hess und die Provida.

Cason: Für mich ist auch wichtig, dass die breite Bevölkerung hinter mir steht. Es hat noch niemand gesagt: "Hören Sie endlich auf."

(Interview: Markus Schoch/St. Galler Tagblatt v. 30.03.06)

 

Vernichtende Kritik aus der Schweiz

"Problematische Politik der Schiffsbetriebe"

Unzuverlässig und nicht mehr zeitgemäß - die deutschen Bodenseeschiffsbetriebe (BSB) ernten vernichtende Kritik aus der Schweiz. Der Fahrplan sei lückenhaft, der Service ebenfalls "ungenügend", heißt es in einer Analyse des St. Galler Juristen Beat Zumstein. Er verfasste sein Dossier im Auftrag einer Thurgauer Investorengruppe, die verhindern will, dass die in Romanshorn stationierte Schweizer Oberseeflotte an die BSB verkauft wird. Die Analyse warnt mit Nachdruck vor einer solchen Übernahme. Die Investorengruppe will die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) AG Romanshorn selber erwerben und weiter in Schweizer Hand behalten.

Demnächst vor Gericht

Die für die BSB wenig schmeichelhafte Analyse kommt gerade noch rechtzeitig für zwei demnächst anstehende Gerichtsentscheidungen auf den Meinungsmarkt. Vom Ausgang dieser Verfahren in Arbon und in Bern dürfte ganz wesentlich abhängen, ob die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ihr Romanshorner Tochterunternehmen wie geplant an die BSB verkaufen können. Die BSB waren bis 2003 ebenfalls das Tochterunternehmen einer Bahn, in diesem Falle der deutschen Bahn AG, die ihre Bodenseeflotte vor knapp drei Jahren an die Konstanzer Stadtwerke verkaufte.

Analyse wird als Retourkutsche empfunden

Die Herausgabe der kritischen Zumsteinschen Analyse wird von Beobachtern als Retourkutsche auf eine konzertierte Aktion von SBB und Thurgauer Kantonsregierung gewertet. Sie hatten sich dieser Tage - wohl ebenfalls im Hinblick auf die anstehenden Gerichtsverfahren - in demonstrativem Einvernehmen mit acht Thurgauer Bodenseegemeinden und den Konstanzer Stadtwerken für eine Übernahme der Romanshorner Flotte durch die deutschen Nachbarn ausgesprochen. Damit soll ein bereits vor über zwei Jahren eingefädelter Deal, der seinerzeit schon bis zur Unterschriftsreife gediehen war, endlich zum Abschluss gebracht werden.

Auch Friedrichshafen sollte einbezogen werden

Vor elf Monaten hatten gemeinderätliche Gremien der Stadt Konstanz ihre Zustimmung gegeben, die Romanshorner Flotte, die angeschlossene Werft sowie damit verbundene Hafenanlagen und Grundstücke in Romanshorn für insgesamt 1,6 Millionen Euro zu übernehmen. Etwas weniger als ein Viertel der Aktien sollten beteiligten Schweizer Seegemeinden und der Stadt Friedrichshafen überlassen bleiben, die über den Fährbetrieb mit Romanshorn in den Schiffsbetrieb einbezogen ist.

Der Mann mit der Aktie Nummer 88

Doch aus den Plänen wurde nichts, weil sich ein Mann namens Flavio Casson dagegen sperrte. Casson, Maschinist bei der Romanshorner Schiffahrtsgesellschaft und im Besitz einer einzigen der über 800 Aktien, der Aktie Nummer 88, pochte auf sein damit verbundenes, in der Satzung der AG festgeschriebenes Vorkaufsrecht. Casson und seine Mitstreiter gaben sich auch nicht geschlagen, nachdem die Schifffahrtsgesellschaft in einer außerordentlichen Hauptversammlung am 1. September den Passus zum Vorkaufsrecht aus ihren Statuten gestrichen hatte.

Verhandlungen in Arbon und Bern

Das Bezirksgericht Arbon wird im April darüber entscheiden, ob die Statutenänderung in diesem Falle zulässig war, und in Bern wird, ebenfalls kommenden Monat, grundsätzlich über das Verkaufsgebaren der SBB zu Gericht gesessen. Angestrengt wurden die Verfahren von Verbündeten Cassons, zu denen der thurgauische FDP-Politiker und Immobilenkaufmann Hermann Hess gehört. Er ist bereit, zusammen mit ebenfalls potenten Geschäftsfreunden ins Romanshorner Flottenunternehmen einzusteigen.

In Schweizer Hand besser aufgehoben

Beat Zumstein wird von der Gruppe Casson als ausgewiesener Fachmann dargestellt, der auch als Berater von Schiffsbetrieben tätig ist. Mit seiner Analyse bestärkt er Casson und seine Freunde in der Überzeugung, dass die Romanshorner Flotte in ausschließlich Schweizer Hand sehr viel besser aufgehoben wäre als unter der Regie eines von Konstanzer Kapitänen dominierten Unternehmens. Potential und Grundsubstanz der vier Fahrgastschiffe seien gut, urteilt der St. Galler Rechtsgelehrte. Dies gelte auch für den Fährbetrieb. Auch die Marktlage sei dank steigender Einwohnerzahlen und Einkommen im Thurgau günstig zu beurteilen.

Engpässe bei der deutschen Flotte

Zumstein beurteilt die Geschäftspolitik der deutschen Bodenseeschiffsbetriebe

(BSB) als "problematisch". Seit 1999 hätten die BSB sechs Motorschiffe stillgelegt oder zum Teil abgebrochen ("Allgäu", "Friedrichshafen", "Lindau", "Überlingen", "Mainau"), zwei weitere Motorboote ("Baden" und "Schwaben") stünden auf der Abschussliste. Im Sommer 2006 werde zwar ein Neubau zur BSB-Flotte hinzu kommen. Doch das könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass "einem Abgang von 3000 Plätzen ein Zugang von 400 bis 450 Plätzen gegenüber" stehe. Bereits in der Vergangenheit sei es deswegen zu empfindlichen Kapazitätsengpässen gekommen.

"Völlig verfehlt konzipierte Schiffe"

Ausgerechnet die Motorschiffe "Graf Zeppelin" und "Königin Katharina" würden von deutscher Seite als zeitgemäß eingestuft. Dabei handelt es sich laut Zumstein um "zwei völlig verfehlt konzipierte Schiffe", die man der "Kundschaft besser nicht zumutet". Ein weiteres Problem seien "architektonisch völlig verunglückte Schiffsrenovationen".

Zumstein: Eine Politik der Selbstdemontage

Die Flottenpolitik der BSB, schreibt Zumstein, führe "zur Selbstdemontage". Das beginnt für den St. Galler Juristen bei Problemen mit dem Fahrplan und bedeutet am Ende volkswirtschaftlichen Schaden, denn "der Tourismus auf der deutschen Seite ist auf attraktive Schiffsverbindungen mit genügender Kapazität angewiesen", eine Bedingung, die immer weniger erfüllt werden könne. Schlechte Noten auch für die Verpflegung auf den Schiffen der deutschen Flotte. Die Bedeutung der Gastronomie werde "völlig verkannt", und Besserung sei nicht in Sicht. Im Gegenteil, auf dem neuen Schiff, das dieses Jahr in Dienst gestellt wird, sollen, zum Befremden Zumsteins, "im Kursverkehr nur Snacks" angeboten werden.

"Nur der Fährbetrieb macht?s möglich"

Sehr gute Noten erhält dagegen der Fährverkehr zwischen Konstanz-Staad und Meersburg. Die Ertragslage sei ausgezeichnet. Allerdings, so beurteilt der promovierte Jurist Beat Zumstein die allgemeine Lage, seien "nur auf dieser Grundlage Projekte wie der Kauf der BSB oder die Einrichtung der Katamaran-Linie möglich" geworden.

 

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